KOMMENTAR: Gegen die Gleichsetzung
■ Warum ein »Bundesehrenmal« überflüssig ist
Nach der Vereinigung klingt nichts mehr absurd. Worauf die alte Bundesrepublik gut und gerne verzichten konnte, wird nun für Berlin anvisiert: ein »Bundesehrenmal für die Opfer von Krieg und Gewalt«.
Käme es zu einem solchen Ehrenmal, entspreche es dem Geist, der seit der Vereinigung in weiten Teilen der bundesdeutschen Elite herrscht: es wäre das zu Stein gewordene Symbol der deutschen Geschichtsrevision.
Was früher Konsens war, wird nun aufgehoben: daß angesichts der deutschen Geschichte zwischen 33 und 45 nicht jedes Opfer gleichzusetzen ist. Bei den Bonner Planspielen fällt es schwer, nicht zynisch zu werden. Die scheinbar neutrale Widmung erinnert an den Witz vom Großvater, der in der Nazizeit »auch« umgekommen sei, wie ein deutscher Schüler zu seinem jüdischen Klassenkameraden sagt: »Ja, ja meiner starb auch im KZ — er brach sich das Genick, als er vom Wachturm fiel.«
Wessen also will die Bundesrepublik an dieser Stelle gedenken, wenn sie eines Tages bei Staatsempfängen Bundeswehr aufmarschieren und Kränze ablegen läßt? Des »unbekannten deutschen Soldaten«, der bis zuletzt die Maschinerie des Dritten Reiches mitsamt seinen Todeslagern verteidigte? Des Zivilisten, der in den Bombenangriffen umkam, weil anders deutscher Größenwahn offenbar nicht zu brechen war? Soll gar das KZ-Opfer mit dem Stasi- Opfer in eine Linie gestellt werden? Die ständige Gleichsetzung des »Unrechtsregimes der DDR« mit dem Dritten Reich legen diese Vermutung zumindest nahe.
Ein Bundesehrenmal — selbst in der Variante des Weimarer Architekten Tessenow — ist das letzte, was die Bundesrepublik braucht. Der jetzige Zustand sollte erhalten bleiben — auch wenn er für die Mehrheit in diesem Land, was zu vermuten ist, eine Provokation darstellt. Das ist allemal besser als ein Ort für nationale Selbstbestätigung. Severin Weiland
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