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Algerien: Eine Bombe gegen den Dialog

Paris (taz) — „Es ist grauenhaft“, sagt ein Polizist. „Wir haben die Leichenteile mit der Schaufel zusammengetragen. Ein Kadaver klebte an der Decke.“ Die Bombe, die am Mittwoch morgen im Flughafen von Algier mindestens neun Menschen zerriß und 127 verletzte, ging hoch, als Hunderte von Emigranten mit ihren Familien bei Air France zum Check-in anstanden.

Bitter und fassungslos sehen die AlgerierInnen, wie ihr Land täglich weiter in einen kaschierten Bürgerkrieg gleitet. Seit die Generäle im Januar putschten, wurden 200 Polizisten und Gendarmen, der Staatspräsident Mohamed Boudiaf, hochrangige Offiziere und Geheimdienstler, ausgewählte Richter, Bürgermeister und Beamte ermordet. Die Sicherheitskräfte brachten mindestens 700 Islamisten zu Tode — und auch mal Unbeteiligte: Vor wenigen Tagen exekutierte ein Kommando des Innenministeriums nach dem Sturm auf eine konspirative Wohnung zehn Islamisten und eine 13jährige Anwohnerin. Am Abend nach dem Flughafen-Attentat waren in Algier und anderen Städten anhaltende Feuergefechte zu hören.

Im Aurès, wo vor 30 Jahren der Kampf gegen die Franzosen begann, und in neun weiteren Regionen von Sidi Bel Abbes im Westen bis Ouargla im Süden haben die Islamisten eine Guerilla aufgebaut, die starke Armeeverbände regelmäßig in Kämpfe verwickelt. Vorletzte Woche trugen sie ihre Aktionen aus den Schluchten von Palestro bis 30 Kilometer an die Hauptstadt heran.

Die These, auch im Flughafen von Algier hätten die Islamisten gebombt, steht jedoch auf schwachen Füßen. Ihre Untergrundorganisationen pflegen gezielt „Vertreter des Regimes“ zu meucheln; mit blutigem Terror haben sie nichts zu gewinnen. Der Verdacht richtet sich eher gegen den Armeegeheimdienst Sécurité Militaire (SM). „Die Sache trägt die Unterschrift der SM“, sagt ein unlängst zurückgerufener algerischer Diplomat. „Professionell ausgeführt in einer Hochsicherheitszone, unschuldige Opfer — genau die Terrorstrategie des alten Regimes.“ Der offiziell aufgelöste SM steht auch im Ruch, Präsident Boudiaf und zahlreiche Polizisten liquidiert zu haben. Er heizt die Attentatswelle an, denken viele AlgerierInnen, weil er eine Öffnung des Regimes hin zu den Islamisten vereiteln will.

Denn die Junta, so fürchten marokkanische und tunesische Beobachter, steht vor dem Kollaps — und könnte in ihrem Fall die Monarchie von Rabat und die Militärdemokratie von Tunis mit sich reißen. Als einzige Lösung gilt für viele ein „historischer Kompromiß“ mit den Islamisten. Revolutionsvater Ben Bella, die Sozialdemokraten (FFS), die ehemalige Einheitspartei FLN und andere fordern einstimmig eine „Regierung der Nationalen Versöhnung“. „Der einzige Weg aus diesem dramatischen Engpaß ist ein Abkommen aller politischen Kräfte, Islamisten eingeschlossen“, sagt der Historiker Mohammed Harbi.

Mitte August traf sich Industrieminister Abdennour Keramane in Washington heimlich mit dem tunesischen Islamistenchef Rachid Ghannouchi und bat ihn um Vermittlung zwischen den algerischen Islamisten und der Regierung. Und nächsten Sonntag wollte der neue Premierminister Belaid Abdessalam die Modalitäten für eine „nationale Aussprache“ festlegen.

Die „Betonfraktion“ hingegen will ihre Privilegien halten, notfalls um den Preis des Bürgerkrieges. Nur Stunden nach dem Flughafen-Attentat griff Innenminister Mohamed Hardi die „Versöhnler“ hart an. Es sei, bekundete er, kein Dialog möglich. Pablo Cargo

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