piwik no script img

Schauerliche Esoterik

■ Premiere von Endanca mit Animater bei Movimientos '92

mit Animater bei Movimientos '92

Wer gekommen war, um beim Programm der brasilianischen Compagnie Endanca „urbane Überlebenskämpfe“ oder „Quellen repressiver Macht in Beziehungsritualen“ (Programmtext) tänzerisch umgesetzt zu sehen, mußte verwundert feststellen, daß esoterische Bewegungslehren anscheinend nicht nur in idiosynkratischen Luxusgesellschaften ihren Platz haben. Betuliche Seelenpflege und Vertrauens- Spiele aus Psychogruppen - sich mit geschlossenen Augen führen oder fallen lassen - zu neuer Kirchenmusik oder die Darstellung von nackten Astralleibern und mondwärts gerichteten Verzückungen wirkten wie die Dokumentation des jährlichen Metaphysiker-Treffens im englischen Stonehenge.

Fünf Frauen und der Choreograf Luiz Mendonca, alle in Baghwans Lieblingsfarben gekleidet, entwickelten nach einem flotten Beginn mehr und mehr bewegte Bilder naiver Innenschau, wie sie bei der hilflosen Gefühls-Suche der „Aussteiger-Generation“ geprägt worden sind. Befreiung von Strukturen, die man nicht verstanden hat, und Reinigung in religiöser Führergläubigkeit durch „neue Körperlichkeit“, die doch nur neuer Aberglaube ist; dieser Geisteshaltung gab Endanca Bild und Form. Endloses Kreiseln mit ausgestreckten Armen unter hysterischem Gegacker, weibliche Hingabe in starken männlichen Armen oder langsame Schwerttänze, was das alles mit Urbanität zu tun haben sollte, blieb bis zuletzt im Dunklen.

Vielmehr schien der Name des Stückes Programm zu sein: Animater, wohl eine Wortschöpfung aus Anima (Seele) und Mater (Mutter), eine Glaubensglocke, unter der Pathos und „Natürlichkeit“ mit ganzer Kraft gedeihen konnten. Till Briegleb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen