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Das Fremde blieb fremd

■ Boi Voadors Bühnenfassung von Asturias Roman El Senor Presidente beim Sommertheater versagte das Verständnis

Bühnenfassung von Asturias Roman El Senor Presidente beim Sommertheater versagte das Verständnis

Das Sprechtheater lebt vom Wort ebenso wie von Bildern. Sprache kann Ausdruck ersetzen, Mimik und Gestik können die Sprache überflüssig machen. Ist aber weder Text noch Bildsprache verständlich, hebt sich das Theater selbst auf.

Die brasilianische Gruppe Boi Voador bietet dem größten Teil des Publikums beim Movimientos-Festival in der Kampnagel-Fabrik kaum eine Chance, Handlung und Absicht ihres politisch ambitionierten Stückes El Senor Presidente - Premiere war am vergangenen Freitag - zu begreifen, weil beide Sprachen versagen: Wer kein Portugiesisch versteht, dem bleibt das Bühnengeschehen weitgehend verschlossen, denn auch die Inszenierung liefert nur wenig Hilfe zum Verständnis. Eine Zumutung aber ist der Waschzettel, der vor der Aufführung ausgehändigt wird: Was als „Zusammenfassung des Stücks“ angeboten wird, besteht aus kaum mehr als einigen kryptischen, lediglich Verwirrung stiftenden Sätzen zu Stationen der Handlung.

So viel ist bekannt: Boi Voador und der Regisseur Ulysses Cruz haben versucht, den Roman Der Herr Präsident des guatemaltekischen Autors Miguel Angel Asturias eigens für das Hamburger Festival zu dramatisieren. Asturias skizziert in seinem Buch den Prototyp des südamerikanischen Caudillo, der sich durch blutige Unterdrückung an der Macht hält. „Der Herr Präsident“ gilt als lateinamerikanischer Schlüsselroman.

Die Gruppe agiert vor einem mit Indio-Masken und -Kultstätten bemalten Prospekt. Die Figuren lösen sich aus der Aufstellung der Schauspieler und Musiker im Hintergrund, sie verschwinden im Papiermüll, der die kahle Bühne flankiert. Der Waschzettel kündigt Bettler, Militärs, einen Clown und ein Bordell an, aber weder Elend noch Generäle, Narr oder Prostituierte sind zu sehen, nur Frauen und Männer, die zu dröhnenden Schwermetallklängen über die Bühne jagen, auch Dialoge sprechen und Turnübungen vollführen.

Der Präsident selbst tritt nicht in Erscheinung. Ist von ihm die Rede, deuten die Sprecher mit dem Finger gen Himmel. Der irdische Vertreter des Machthabers, der „Militärjurist“, dessen Insignien Hut und Stars-and-Stripes-Fliege sind, ist auszumachen. Einige Figuren wechseln wohl die Fronten, auch von Liebe und Verrat mag die Rede sein.

Die Darsteller verfügen offenbar nicht über die Ausdrucksmittel, um zu einem fremdsprachigen Publikum zu sprechen. Oder artikuliert sich so die „von Realität befreite Realität“, die der Regisseur zu seinem Prinzip erhebt?

Die Vermittlung versagt, und so muß die Kritik versagen. Das Premierenpublikum aber wußte, was von ihm verlangt wird, es löste das Unlösbare mit anhaltendem Applaus auf. Michael Berger

Letzte Vorstellung heute 20 Uhr

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