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CDU will Geld durch Zwangsanleihe

■ Trotz verfassungsrechtlicher Bedenken will Innenminister Schäuble Investitionsanleihe wiederbeleben

Bonn (dpa/AP) — Innenminister Wolfgang Schäuble und Verkehrsminister Krause sind auf der Suche nach neuen Geldquellen. Deshalb wollen sie die bereits 1984 vom Bundesverfassungsgericht abgelehnte zinslose Investitionsanleihe zur Finanzierung des Aufbaus in Ostdeutschland wiederbeleben. Eine Grundgesetzänderung scheint ihnen kein Hindernis. Der Koalitionspartner FDP und auch die SPD reagierten allerdings mit strikter Ablehnung. Und auch Finanzminister Theo Waigel meldete gestern verfassungsrechtliche Bedenken an. Der Arbeitnehmerflügel der CDU unterstützte hingegen die Anregung.

Wie Unions-Fraktionschef Wolfgang Schäuble am Samstag in einem dpa-Gespräch erläutert hatte, soll die Anleihe von Besserverdienenden gezeichnet werden, die in Ostdeutschland nicht investieren wollen oder können. Bundeskanzler Helmut Kohl will darüber am Mittwoch mit den ostdeutschen CDU-Abgeordneten sprechen. Schäuble und der Sprecher dieser Abgeordneten-Gruppe, Verkehrsminister Günther Krause, seien sich der Zustimmung Kohls sicher, berichtet der Spiegel in seiner neuen Ausgabe. Nur wer direkt in ein Ost-Unternehmen investiere, solle von der Anleihe befreit werden, so erläuterte Krause. Er rechne mit Einwänden des Verfassungsgerichts gegen eine solche Anleihe, räumte Krause ein. „Dann müssen wir mit der SPD reden. Vielleicht brauchen wir eine Grundgesetzänderung“, sagte er.

Laut Schäuble sollen die Einzelheiten — in welcher Höhe oder von welchem Einkommen an diese Regelung gelten soll — noch mit dem Finanzminister, in der Koalition und mit den Tarifpartnern besprochen werden. Krause deutete in der Illustrierten Super Illu an, daß die Anleihe möglicherweise auch gering verzinst werden könnte. Zugleich forderte er eine 25prozentige Investitionszulage für Ostdeutsche.

Da das Bundesverfassungsgericht 1984 eine solche Anleihe bereits einmal abgelehnt hat, müßte nach Schäubles Worten der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit diese einmalige Abweichung vom finanzrechtlichen Teil des Grundgesetzes unter Hinweis auf die Erfordernisse der deutschen Einheit beschließen.

FDP-Chef Otto Graf Lambsdorff und der Fraktionsvorsitzende Hermann Otto Solms lehnten die Investitionsanleihe ab. Lambsdorff nannte sie kein geeignetes Instrument. „Da müssen wir uns etwas Besseres einfallen lassen“, sagte er in der ZDF- Sendung „heute“. Solms vertrat in einem Gespräch mit dem Handelsblatt die Auffassung, daß Investitionen in den neuen Ländern keinswegs aus Mangel an Finanzmitteln scheiterten, sondern vor allem an administrativen Hemmnissen und Fragen der Rentabilität des Investitionsvorhabens sowie eines ausreichenden Marktes.

Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Hermann Otto Solms, sagte dem Handelsblatt , die FDP werde den Vorschlag der Unionsspitze nicht unterstützen. Durch eine Zwangsanleihe würden die Bürger benachteiligt, die auf ganz andere Weise investierten oder der Wirtschaft im Westen Deutschlands hülfen. Auch würden Leistungsanbieter durch die Androhung zusätzlicher Abgaben nicht motiviert. Solche Androhungen lösten genau das Gegenteil aus, sagte Solms und verwies auf die wieder zunehmende Kapitalflucht.

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