: Karlstein-Reaktor am Ende
■ Keine Industrieaufträge mehr/ Geld zum Abriß fehlt
Karlstein (taz) — Das unterfränkische Karlstein wird zum Zentrum für Atomruinen. Das Kernforschungszentrum Karlsruhe will jetzt seinen dortigen Heißdampf- Reaktor (HDR) abreißen lassen. Das sagte der Betriebsleiter des HDR, Hans-Heinrich Wenzel, auf einer Informationsveranstaltung in der Stadt. Seit November 1985 ist bereits das benachbarte Versuchsatomkraftwerk Kahl (VAK) des RWE stillgelegt. Abbrucharbeiten für die VAK begannen im Mai 1988, sie wurden im April 1992 nach einem Unfall abrupt gestoppt.
Seit über 25 Jahren leben die Karlsteiner mit den Atomanlagen in unmittelbarer Nähe. Für den Gemeinderat war die Nachricht vom Ende des HDR-Reaktors eine sichtliche Überraschung. Ursprünglich hatte der Rat der Gemeinde, die sogar das Atomzeichen im Gemeindewappen führt, nur eine Informationsversammlung vorgesehen. Doch dann berichtete der Betriebsleiter des HDR, daß bereits im Februar die 15jährige Versuchsreihe des staatlichen Kernforschungszentrums abgeschlossen worden sei, daß Finanzmittel für weitere Versuche fehlten und teure Meßanlagen demontiert würden. Derzeit fahre die Anlage im Minimalbetrieb, so Wenzel. Neun Mitarbeiter kontrollierten den Versuchsmeiler, der technisch fehlerlos arbeite.
Doch jeder Betriebstag koste Geld, und die Demontage weiterer Meßeinrichtungen ließe neue Versuche immer unwahrscheinlicher werden. Vor allem fehlten Versuchsaufträge aus der Industrie, klagte Wenzel. Das Kernforschungszentrum Karlsruhe habe daher den Abriß der Anlage beschlossen, es mangele derzeit nur am Geld für den Abbruch.
Der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz forderte den sofortigen Entzug der atomrechtlichen Betriebserlaubnis. Dann könnte das Geld für die letzten Stellen auch gespart werden, schließlich handele es sich um Steuergelder.
Der HDR-Reaktor am Untermain hatte die Belastbarkeit von Materialien bei Störfällen getestet und hypothetisch Atomunfälle durchgespielt. Nach Darstellung von Wenzel haben die Versuche in Karlstein den Steuerzahler bislang rund 200 Millionen Mark gekostet. Paul Gerlach
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