KOMMENTAR: Krise (in) der SPD
■ Im Osten wird über den Vorsitz entschieden
Die Nominierung zweier Kandidaten für das Amt des Vorsitzenden ist ein normaler demokratischer Vorgang. Warum muß man also bei der Kandidatur von Monika Buttgereit und Ditmar Staffelt von einer Krise der SPD sprechen? Diese Diagnose geht all jenen schnell über die Lippen, denen das möglichst reibungslose Funktionieren eines Parteiapparates bereits Qualität an sich ist. Für ein solches Funktionieren der SPD steht im Kontext der Großen Koalition die Kandidatur Staffelts. Die Besetzung des Stellvertreterpostens mit einer Ostgenossin war ihm Conditio sine qua non, doch nicht nur, weil er den Ostteil integrieren will, sondern weil es der Hebel ist, mit dem er die renitente Parteilinke in die Schranken verweisen kann.
Eine Personalunion von Partei- und Fraktionsvorsitz funktioniert in der Tat nur, wenn Staffelt die Partei der Fraktion und diese der Koalition unterordnet. Eine Stellvertreterin aus dem Osten würde das nicht gefährden, eine vom linken Flügel schon eher. Auf diesen Schachzug Staffelts haben die Linken mit einer eigenen Kandidatin geantwortet, die zwar von schwächerem persönlichem Profil ist, dafür aber verspricht, die Gewichtung von Partei und Rathauspolitik wieder ins richtige Lot zu bringen. Sie will zudem die politischen Koordinaten von Ost-West nach Oben-Unten verschieben. Auch Buttgereit hat einen Stellvertreter aus dem Osten nominiert, vorgeblich um der Integration willen, tatsächlich als Mehrheitsbeschaffer.
Am Osten vorbei kann kein Vorsitzender gekürt werden. Die zentrale Rolle, die sie als Königsmacher spielen, haben die östlichen Parteigliederungen jedoch bislang nicht einzunehmen verstanden. Diejenigen, die ihr Hinzukommen als »eine Chance für die Überwindung verschimmelter Rechts-Links-Konfrontationen und eingespielter Kungelrunden« (Thierse) begriffen, sind bislang über dieses Lamento nicht hinausgekommen. Sie haben sich mit der Rolle des Umverteilungsempfängers befriedet gegeben. Was augenblicklich in der SPD als Krise daherkommt, ist vor allem ihre Unfähigkeit, Macht zu nutzen und programmatisch zu gestalten. Diese Unfähigkeit war bereits bei Thierses Kandidatur evident. Er spürte, daß er als Landesvorsitzender erst einmal die Ostgliederungen der Partei hätte aufbauen müssen, schon um eine Hausmacht zu haben. Auch ohne Thierse stehen die Ost-SPDler jetzt vor der Aufgabe, ihre Rolle in der Partei aktiv auszufüllen — und zwar bevor die westlichen Gliederungen sich wieder von ihnen ab- und eigenen liebgewonnenen Politikmustern zuwenden. Erste Anzeichen dafür gibt es bereits. Dieter Rulff
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