: Industrie-Lobby von Präsident verlassen
■ Heinrich Weiss, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, verläßt sein Amt fluchtartig nach interner Kritik an „Führungsschwäche“/ Interims-Nachfolger wird sein Vorgänger Tyll Necker
Berlin (taz) — In der Zeit vor seinem Amtsantritt plädierte Heinrich Weiss gerne für Durchhaltevermögen. „Unsere Leute können nicht einfach alles hinwerfen“, sagte der designierte Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in einem Spiegel-Interview. Im Sommer 1989 ging es um die Geschäfte seines Unternehmens Schloemann- Siemag in China, kurz nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Sanktionen würden immer nur die Bevölkerung treffen, aber nie das Regime, begründete der heute 50jährige Unternehmer den Weiterbau eines Stahlwerkskomplexes in Baoshan bei Shanghai.
Das Amt des BDI-Präsidenten verließ Weiss, der Liebhaber schneller Autos, gestern geradezu fluchtartig. Seine Begründung: Dem BDI, in dem 34 Wirtschaftsverbände mit etwa 80.000 Unternehmen vertreten sind, fehle es an professionellem Management. Innerhalb des Verbandes war allerdings in den vergangenen Wochen wiederholt Kritik der Amtsführung des Präsidenten laut geworden: Weiss sei führungsschwach, die Kontakte des CDU-Mitglieds zur Bundesregierung seien nicht intensiv genug.
Bis zum Jahresende wird nun Weiss' Vorgänger Tyll Necker die Verbandsarbeit „in Kontinuität und Effizienz“ fortführen, wie es gestern in einer Presseerklärung des BDI hieß. Necker hatte dem BDI von 1987 bis 1990 präsidiert und den Verband vom Image der ewig nörgelnden Industriellenlobby und Unternehmermafia befreit. Dieses Image hatten sich Neckers Vorgänger solide erarbeitet. Die Rufschädigung begann mit der Amtszeit des Schleyer-Nachfolgers Nikolaus Fasolt, eines Bonner Fliesenfabrikanten. Gegen ihn erging Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung.
Fasolts Nachfolger, der Münchner Brillenkönig Rolf Rodenstock, stellte mehr sich selbst als den Verband dar. Und Eberhard von Brauchitsch brauchte nach seiner Wahl das höchste BDI-Amt gar nicht erst anzutreten: wg. Flick/Parteispendenskandal. Neckers Vorgänger Hans-Joachim Langmann richtete sodann vergleichsweise wenig Schaden an. Er fiel lediglich durch lautes Wehklagen über die schwierige Lage der Industrie als solcher auf.
Dem Bad Oldesloer Reinigungsmaschinenfabrikanten Tyll Necker gebührt das Verdienst, als erster BDI-Präsident aktiv für den Dialog mit Gewerkschaftern und Sozis eingetreten zu sein. Für diese Politik des Dialogs stand auch Weiss, den Necker im Juni 1989 als seinen Nachfolger vorgeschlagen hatte. „Die Zeit der einsamen Patriarchen ist vorbei, wir brauchen weltoffene Führungspersönlichkeiten und Kommunikatoren“, sagte Weiss beim Amtsantritt.
In seiner Verbandstätigkeit setzte sich Weiss für mehr Privatisierung, gegen die Verkürzung von Arbeitszeiten und zuletzt für eine Reform und Senkung der Unternehmenssteuern ein. Er nahm an den Gesprächsrunden der Bundesregierung über den Aufbau in den neuen Bundesländern teil und beriet die Regierung bei einer Vielzahl gesetzlicher Initiativen, etwa der Verschärfung der Exportkontrollen.
Zu letzterem Thema verfügte Weiss durchaus über Expertenwissen. Seine eigene Tochterfirma war während des Golfkriegs ins Zwielicht geraten, weil sie — mit Exportgenehmigung — ein Bauteil für eine Universalschmiede an den Irak geliefert hatte. Im Bereich des Kriegswaffenexports forderte der BDI-Präsident Regelungen auf UNO-, mindestens aber auf Nato-Ebene.
Als Lobby-Verband repräsentiert der in Köln ansässige BDI die Interessen der deutschen Industrie in der Öffentlichkeit und versucht, die Arbeit von Parlament und Regierung im Sinne seiner Mitgliedschaft zu beeinflussen. Im Zuge der deutschen Wiedervereinigung hatte Weiss von Beginn an davor gewarnt, in zu kurzen Zeiträumen zu denken. Die Industrie verteidigte er, seiner Aufgabe gemäß, vor dem Vorwurf, nicht genug in Ostdeutschland zu investieren. Als habe er von Fasolt gelernt, machte er die Zustände in den ostdeutschen Verwaltungen dafür verantwortlich, ein größeres Engagement der West-Unternehmer zu verhindern.
Der glücklose Lobbyist Weiss gilt unter Kollegen als erfolgreicher Unternehmer. Im Alter von 29 Jahren hatte der Gründer-Urenkel die Geschäftsführung des Familienunternehmens Siemag übernommen, eines traditionsreichen Siegener Maschinenbaubetriebs. Nach der Fusion mit der Schloemann AG in Düsseldorf erweiterte Weiss kontinuierlich, übernahm Firmen in den USA und engagierte sich vor allem im China-Geschäft. Der Konzern SMS Schloemann-Siemag AG mit rund zwei Milliarden Mark Umsatz und 7.000 Beschäftigten baut heute Maschinen und Anlagen für die Verarbeitung von Stahl und Aluminium sowie von Kunststoffen. Donata Riedel
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