: Innenausschuß debattiert „Sondertruppe“
■ FDP-Fraktion fordert Sondereinsatzkommandos „gegen Straßenterror“/ Justizministerium reagiert ablehnend/ Umfrage: 60 Prozent befürworten Einreisestopp für Asylbewerber
Bonn (dpa/taz) — Die politische Debatte über Rostock und die Folgen hat seit gestern einen neuen Schwerpunkt: Sondereinsatztruppen der Polizei sowie Schnellgerichte vor Ort. „Im Augenblick sehe ich keine andere Chance, als hart durchzugreifen, um die kriminellen Aufstände zu bekämpfen“, erklärte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses Bernrath, der die Bildung einer Sondertruppe am Wochenende angeregt hatte. Gestern stand die Idee bereits auf dem Programm der Sondersitzung des Bonner Innenausschusses. FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms sprang denn auch einem SPD-Kollegen bei und forderte seinerseits eine „effektive Sondereinsatztruppe gegen Straßengewalt“. Die Bundestagsabgeordneten der Liberalen seien sich einig, daß alle rechtsstaatlichen Mittel voll ausgeschöpft werden müßten, um jetzt dem Straßenterror rechts- und linksradikaler Gewalttäter entschlossen zu begegnen, hieß es in einer Erklärung der FDP-Fraktion. Man sei bereit, mit den anderen Fraktionen „unverzüglich“ alle geeigneten Möglichkeiten zu diskutieren. Dazu zähle neben der schnellen Verurteilung von Gewalttätern und der strafrechtlichen Verfolgung von Schaulustigen, die Krawallmacher indirekt schützen, auch die Einrichtung einer Sondereinsatztruppe.
Der FDP-Innen- und Rechtsexperte Burkhard Hirsch und der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor (SPD) sprachen sich gegen neue Spezialeinheiten aus. Auch das Bundesjustizministerium machte seinem Namen Ehre: Es befürwortet derzeit weder den Einsatz von Sonderstaatsanwälten noch von sogenannten Schnellgerichten gegen Randalierer.
Die innenpolitische Sprecherin des Bündnis 90 bezeichnete die Bonner Politiker als „Sympathisanten des Rechtsextremismus“. Sie hätten mit der „Dramatisierung der ,Asylantenfrage‘“ selbst den Boden für die Gewaltausbrüche gegen Ausländer bereitet. Dem Rassismus sei weder mit neuen Gesetzen noch mit Sondereinheiten beizukommen.
Die Ausländerbeauftragte Cornelia Schmalz-Jacobsen vermißt nach den jüngsten Gewaltangriffen ein Wort der Bundesregierung an die Adresse der Ausländer. Als unverantwortlich bezeichnete es die FDP- Politikerin, wenn der Eindruck erweckt werde, die Probleme seien allein durch eine Grundgesetzänderung rasch zu lösen. Die Asyldebatte dürfe nicht „unter dem Druck der Ereignisse“ geführt werden. „Die Ausschreitungen von Rostock sind weder ein Zeichen für noch gegen die Notwendigkeit einer Asylrechtsänderung“, erklärte Frau Schmalz-Jacobsen.
Damit trifft die Ausländerbeauftragte offensichtlich nicht mehr die Stimmungslage der Nation: Für einen vorübergehenden Einreisestopp für Asylbewerber haben sich in einer Repräsentativumfrage 60 Prozent der befragten Bundesbürger ausgesprochen. Gleichzeitig verlangten in der am Montag veröffentlichten Studie der Gesellschaft für erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung (GEWIS) 52 Prozent der Bundesbürger eine „radikale Verkürzung“ der Asylverfahren und 67 Prozent eine Änderung des Grundgesetzes „mit dem Ziel, den Asylantenstrom einzudämmen“. Eine sofortige Ausweisung aller Asylbewerber, die sich etwas zuschulden kommen lassen, wünschen 56 Prozent der 1.100 Befragten. Immerhin 13 Prozent sehen in den jüngsten Gewaltausbrüchen gegen Ausländer und Asylbewerber einen „berechtigten Ausdruck des Volkszorns“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen