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"Alles tolle Schwestern hier"

■ PflegerInnen erbost über beschönigende Werbefilme der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft / Gesamtpersonalrat: Geld könnte sinnvoller verwandt werden

der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft / Gesamtpersonalrat: Geld könnte sinnvoller verwandt werden

Pflegenotstand und kein Ende: Von den 2770 Ausbildungsplätzen in Hamburger Krankenpflegeschulen sind mehr als 1000 unbesetzt. Not macht erfinderisch und so starteten die Hamburgische Krankenhausgesellschaft (HKG) und die Gesundheitsbehörde (BAGS) eine aufwendige Werbekampagne, für die im Gesundheitsetat extra 150000 zurückgelegt wurden.

Gestern nun stellte die HKG in der Vorführung 6 ihr neues „Berufsbild-Video“ und den Kino-Spot vor, der ab Oktober in 20 Hamburger Lichtspielhäusern gezeigt werden soll. Doch die „flotten Sprüche“ und „jugendgemäße Aufmachung“, die Schulabgänger zu einer Krankenpflege-Ausbildung bewegen sollen, fanden nicht nur Zustimmung. So versammelten sich vor dem Kino rund ein Dutzend KrankenpflegerInnen, um gegen die „zynische, frauenfeindliche und beschönigende“ Darstellung ihres Berufs zu protestierten.

„Alles tolle Schwestern hier“, schwärmt ein Jung-Pfleger in dem zehnminütigen Video. „Ich kann mich kaum halten vor Wut!“ schimpfte eine der zuschauenden PflegerInnen. Sie sieht in dem Berufsbild-Film alle alten Klischees bestätigt. Vorurteile über einen typischen „Frauenberuf“, die das Video nach dem Konzept der HKG eigentlich abbauen sollte.

„Der Videofilm zeigt ein völlig geschöntes Bild“, kritisiert auch die ÖTV in einer öffentlichen Stellungnahme. Dort würden junge, schöne Krankenschwestern gezeigt, die selbstbestimmt und streßfrei ihren Arbeitsalltag mit pflegeleichten Patienten gestalten. In Wahrheit würden Auszubildende in den Kliniken meist ohne praktische Anleitung als volle Arbeitskräfte eingesetzt und überfordert.

„Werbung muß positiv sein, sonst können wir sie uns sparen“, hält HKG-Geschäftsführer Jürgen Abshoff dagegen. Wenn man neue Kräfte für die Pflege gewinnen wolle, dürfe man nicht ständig öffentlich darstellen, wie schlimm es in den Krankenhäusern ist.

Der Gesamtpersonalrat der Hamburger Krankenhäuser (GPR) forderte gestern die Geschäftsführung des Landesbetriebs Krankenhäuser dazu auf, sich von der HKG- Kampagne zu distanzieren. Statt in schräge Werbekampagnen müßten Gelder in die mangelhafte Krankenpflegeausbildung investiert werden, mehr Stellen für PraxisanleiterInnen geschaffen werden. Die beste Werbung seien immer noch gute Arbeits- und Ausbildungsbedingungen. Vera Stadie

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