Hamburg am Vorabend einer Rezession?

■ Wirtschaftliche Krisenzeichen verstärken sich / Die Arbeitslosigkeit klettert erstmals wieder / Dennoch Optimismus

/ Die Arbeitslosigkeit klettert erstmals wieder / Dennoch Optimismus

„Die Stimmung in der Wirtschaft ist nicht gut.“ Die Stirn von Hans Fahning, Chef der Hamburgischen Landesbank, schlug gestern kleine Wellen der Besorgnis, als er den Bericht seiner Analytiker zur „Lage der Hamburger Wirtschaft im 1. Halbjahr 1992“ vorlegte. Tags zuvor hatte die Hamburger Handelskammer für Aufruhr gesorgt. Ihre jüngste Umfrage übers Klima in Hamburgs Kontoren und Chefetagen zeigte einen sensationellen Einbruch. Das Stimmungsbarometer fiel von seinem euphorischen Hoch im Boom-Town-Jahr 1990 auf den Vor-Boom-Stand des Jahres 1988 zurück.

Schon im Mai hatte Arbeitsamtschef Klaus Clausnitzer Alarm geschlagen und vor einer sich abzeichnenden „Trendwende am Arbeitsmarkt“ gewarnt. Die gemeinhin ausgesprochen seriösen Landesbankanalytiker bestätigten jetzt Clausnitzer. „Die Arbeitslosenquote“, so prophezeien sie, „wird wieder etwas steigen.“ Auch die 1500 Hamburger Unternehmen, die sich an der monatlichen Klimaforschung der Handelskammer beteiligen, lassen kaum noch Zweifel: Bis auf das Baugewerbe plant in fast allen Branchen ein gutes Fünftel der Betriebe eine Arbeitsplatzvernichtung.

Noch finsterer sieht es am Weltwirtschaftshimmel aus: Crash-Ängste in Japan, Zerfallserscheinungen in den USA, Nationalitätenchaos in Europa. Eine wachsende Zahl von Experten sieht die Gefahr einer Weltrezession. Käme sie tatsächlich, da sind sich die Hamburger Fachleute einig, wird es auch die Hansestadt erwischen. Noch freilich sehen die realen Zahlen durchaus freundlich aus. Hans Fahning trotzig-selbstsicher: „Ich sehe keine Anzeichen für eine Rezession. Die Lage ist besser als die Stimmung“.

Die Zahlen geben Fahning zunächst auch recht: Noch immer klettert die Wirtschaftsleistung Deutschlands. Hamburg liegt mit einem Plus von zwei Prozent auch wieder deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 1,5 Prozent Wachstum. Zwar bedeutet dies einen deutlichen Rückgang gegennüber 1991 (Wachstum 5,4 Prozent), aber, so Fahning: „Auch ein Wachstum von bloß einem Prozent wäre noch keine Rezession“. Fahning spricht deshalb von „Stabilisierung auf hohem Niveau“, sieht aber schon für 1993 den Vorboten eines temporeichen Aufschwungs.

Ähnlich optimistisch gibt sich die Wirtschaftsbehörde. „Den Begriff Boom-Town“, so schimpft Pressesprecher Heiko Tornow, „haben die Medien erfunden. Nicht wir.“ Hamburgs Chancen seien gut, die überschäumende Euphorie der letzten Jahre etwas übertrieben, genauso wie jetzt das Rezessionsgefasel einiger Gazetten.

Florian Marten