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Countdown für Präsident Collor

Brasiliens Parlament leitet Prozeß der Amtsenthebung des Staatsoberhauptes ein/ Collor hält trotz aller Korruptionsvorwürfe an seinem Posten fest und droht: „Ich kämpfe bis zur letzten Minute“  ■ Aus Rio Astrid Prange

Brasiliens Präsident Fernando Collor de Mello markiert den starken Mann. „Ich flüchte nicht vor Auseinandersetzungen, sondern kämpfe bis zur letzen Minute“, ließ er Montag nacht die Zuschauer von Brasiliens mächtigem Privatfernsehen „Globo“ wissen. Mindestens einen Monat müssen sich die Brasilianer noch von der Männlichkeit ihres Staatsoberhauptes quälen lassen. Des Präsidenten Kampfbereitschaft auf Kosten der Nation erhielt gestern mit dem Antrag auf seine Amtsenthebung im brasilianischen Parlament neuen Zündstoff.

Hintergrund des sogenannten Impeachments sind die Enthüllungen einer parlamentarischen Untersuchungskommission (CPI). Innerhalb von drei Monaten wiesen 22 Parlamentarier dem Staatsoberhaupt nach, daß seine persönlichen Ausgaben nicht von ihm selbst, sondern von seinem Unternehmerfreund Paulo Cesar Farias, genannt PC, bezahlt wurden. PC ließ sich seine Großzügigkeit von den Unternehmern vergelten: Wer an öffentlichen Aufträgen interessiert war, kam an ihm nicht vorbei.

Um das sogenannte Impeachment abzuschmettern, setzt Collor auf Zeit und geheime Abstimmung. Das Verfahren der Amtsenthebung, das sich auf ein Gesetz von 1950 stützt, ist äußerst langwierig: Zunächst muß eine parteienübergreifende Kommission des Parlaments über die Rechtmäßigkeit des Antrags entscheiden.

Danach stehen dem Präsidenten 20 Tage für seine Verteidigung zur Verfügung. Erst dann wird der Antrag dem Plenum vorgelegt. Wenn 336 der 503 Abgeordneten dafür stimmen, wird Collor für 180 Tage aus seinem Amt entfernt. Dies muß vom Senat bestätigt werden.

Collor hofft darauf, daß sich das Verfahren bis Mitte Oktober hinzieht. Dann nämlich hätte sich das hitzige Wahlkampfklima anläßlich der Gemeindewahlen am 3. Oktober wieder abgekühlt. Falls die Abstimmung im Parlament geheim verläuft, könnten dann die Abgeordneten, die sich zuvor gegen ihn ausgesprochen haben, in aller Ruhe gegen sein Impeachment stimmen.

Collors unberechenbare Starrköpfigkeit veranlaßte die Ministerriege, die für Montag vorgesehene gemeinsame Rücktrittserklärung bis zur endgültigen Abstimmung im Parlament hinauszuzögern. Die Angst, daß Collor trotz dieser eindeutigen Geste nicht zurücktreten würde und das Land bis zur endgültigen Abstimmung des Impeachments politisch in den Abgrund versinken könnte, bewog die Minister zum Nachgeben.

Für Senator Fernando Henrique Cardoso ist Collor bereits „eine politische Leiche“. Nicht ein einziger Gesetzesentwurf, den er in Zukunft dem Kongreß vorlegen würde, hätte Chancen durchzukommen. Hinter den Kulissen ist er bereits damit beschäftigt, ein notdürftiges Regierungsprogramm für die Übergangsphase bis zu den Neuwahlen im Herbst 1994 zu stricken.

Doch Präsident Collors Siegesgewißheit und Verdrängungsgabe sind grenzenlos. Er besteht darauf, die Militärparade am 7. September, dem brasilianischen Nationalfeiertag, in der Hauptstadt Brasilia persönlich zu eröffnen. Die Warnung der Militärs, daß es unmöglich sei, ihn vor Protesten und Auspfiffen zu schützen, überhört er geflissentlich. Collor: „Ich finde die Demonstrationen gegen Korruption korrekt. Aber sie können sich nicht gegen mich richten, denn ich wurde ja als Jäger der Korrupten gewählt.“

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