CDU und Grüne sorgen sich um SPD

■ Christdemokraten sprechen von »selbstzerstörerischem Prozeß«, Grüne von »Selbstdemontage«/ Beide Fraktionen stellen ihre Herbstprogramme vor/ Kontroverse Ansichten über Hauptstadt-Planung

Berlin. Die augenblickliche Auseinandersetzung um den Landesvorsitz der Sozialdemokraten wird von den übrigen Parteien, wenn auch mit unterschiedlichen Motiven, mit Sorge betrachtet. Den Fraktionsvorsitzenden der CDU, Klaus Landowsky, macht »unruhig«, daß sich sein Koalitionspartner in einer Diskussionsphase befindet, »die in einen selbstzerstörerischen Prozeß ausarten kann«. Man müsse aufpassen, daß es nicht zu einem Politikstillstand komme. Landowsky, dem ein SPD- Vorsitzender Ditmar Staffelt lieber wäre, sagte, bezogen auf eine Äußerung der Staffelt-Konkurrentin und amtierenden SPD-Vorsitzenden Monika Buttgereit, daß es nicht die Aufgabe sei, über die Zeit nach der Großen Koalition nachzudenken. Wer über andere Koalitionsmöglichkeiten nachdenke, lege die Axt an die Interessen der Bevölkerung der Stadt.

Derlei Gedanken macht sich bereits der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen/Bündnis 90, Wolfgang Wieland. Ihn sorgen die Auseinandersetzungen bei beiden »potentiellen Partnern« seiner Partei. Sowohl SPD und FDP seien in einem »Zustand der Eigendemontage«.

Die Fraktionen von CDU und Grünen/Bündnis 90 waren am Wochenende, an unterschiedlichen Orten, in Klausur gegangen, um ihre jeweilige Politik für den Herbst festzulegen. Die Ergebnisse stellten sie gestern der Presse vor. Bei beiden steht die Entwicklung der Hauptstadt Berlin im Mittelpunkt der Aktivitäten, allerdings mit diametralen Intentionen. Die CDU will einen möglichst raschen Umzug von Bundesparlament und -regierung gewährleistet sehen.

Hingegen rückte die Partei von der noch vor wenigen Wochen geforderten schnellen Vereinigung mit Brandenburg ab. Landowsky geht nunmehr davon aus, daß »es bis zum Jahr 2000 nichts wird«. Die Menschen bedrücke nicht sehr, daß es kein gemeinsames Land gebe.

Nach der Unterzeichnung des Hauptstadt-Vertrages erwartet Landowsky nun sichtbare Zeichen aus Bonn. Ein Arbeitsprogramm »Bundeshauptstadt Berlin« soll alle baulichen und technischen Kapazitäten mobilisieren, um einen raschen Umzug zu ermöglichen. Zwar tritt Landowsky für eine »breite Bürgerbeteiligung über die Art, mit der das politische Zentrum Berlins seine Aufgaben erfüllt, ein, doch von einer Beteiligung der Bezirke an den Planungen hält er nichts. Es könne nicht sein, daß die Bezirksverordnetenversammlungen von Tiergarten und Mitte beschließen, wohin die Ministerien kommen.

Eine Beteiligung der Bezirke bei der Hauptstadt-Planung haben sich im Gegensatz dazu die Grünen/ Bündnis 90 auf die Fahne geschrieben. Ein Sonderbaurecht für Bundestag und Bundesregierung, wie im Hauptstadt-Vertrag vorgesehen, ist nach Ansicht der Grünen undemokratisch. Auch solle auf eine Sicherheitszone um die Regierungsbauten verzichtet werden.

Die Grünen/Bündnis 90 wollen sich im Herbst verstärkt für die erwerbstätigen Frauen einsetzen. Um die Situation der »VerliererInnen der Einheit« zu verbessern, will die Fraktionsvorsitzende Sibyll Klotz bei Privatunternehmen eine Entlassungsquote bei Personalabbau und Betriebsschließungen festschreiben lassen. Die gleiche Quote soll auch bei Neugründungen von Unternehmen gelten, sofern dabei öffentliche Gelder fließen. Noch ist unklar, wie dieses Vorhaben umgesetzt werden soll. dr