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Des Pudels Kern getroffen

■ betr.: "Die deutsche Lesart" (Vorläufige Bemerkungen über Krieg und Medien am Beispiel der bosnischen Tragödie) von Peter Glotz, taz vom 22.8.92

betr.: „Die deutsche Lesart“ (Vorläufige Bemerkungen über Krieg und Medien am Beispiel der bosnischen Tragödie) von Peter Glotz, taz vom 22.8.92

Peter Glotz' Analyse über die deutsche Berichterstattung des Bürgerkrieges in Bosnien ist exzellent und trifft des Pudels Kern in mehrfacher Weise. Zum einen entlarvt Glotz das während des Golfkrieges so beliebte Geschwätz der Tautologen. Denn als chic galten damals Äußerungen nach dem Muster „Fernsehen ist Krieg — Krieg ist Fernsehen“. Zum anderen legt Glotz zu Recht seinen Finger in eine Wunde unseres demokratischen Systems, wenn er die Frage stellt, wie in einem offenen Kommunikationssystem wie dem der BRD eine Vereinheitlichung in der Presseberichterstattung zustande kommen könne.

Beiden Ergebnissen des Glotzschen Nachdenkens ist freilich auch ein kräftiges „aber“ gegenüberzustellen. Das erste „aber“ trifft die taz selber, denn gerade sie war es, die während und nach dem Golfkrieg großen (Paul Virilio, Villèm Flusser) und kleinen (Micky Remann) Geistern des Postmodernismus ihren Platz zur Verfügung gestellt hat, wo sie ihren zynischen Unsinn über das Verschwinden der Wirklichkeit angesichts neuer Informationstechnologien behaupten konnten. Die 3. WORLD-MEDIA-Ausgabe setzt diesen Trend fort. Das zweite „aber“ trifft freilich Glotz selbst. Warum es in einer privatwirtschaftlich verfaßten Medienwelt eine Vereinheitlichung der Wahrnehmung gibt, kann man bereits in Horkheimer/Adornos Kulturindustrie von 1948 nachlesen. Als einer der führenden Medienpolitiker der SPD ist gerade Glotz dafür verantwortlich, daß diese Partei Ende der siebziger Jahre ihren Widerstand gegen die Einführung von privatwirtschaftlichem Fernsehen aufgab. Glotz sollte sich heute nicht wundern, warum Horkheimer/ Adorno immer mehr r

echt haben. Prof.Dr.Jörg Becker, Solingen

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