Neonazis dürfen demonstrieren

Im bayerischen Kelheim wurde für Samstag eine Kundgebung der „Nationalistischen Front“ genehmigt  ■ Von Karin Flothmann

Berlin (taz) — Das Landratsamt Kelheim hat für Samstag einen Aufmarsch der Partei „Nationalistische Front“ (NF) in ihrer Gemeinde genehmigt. Nach Angaben des Infoladens Regensburg wird die neonazistische Partei am verkaufsoffenen Samstag durch die Innenstadt des Ortes ziehen können. Dies bestätigte gestern auch Günther Blumberg vom Landratsamt gegenüber der taz. Die 1985 gegründete NF versteht sich als militante NS-Kaderpartei. Ebenfalls am Samstag wird vor dem Flüchtlingswohnheim in Kelheim eine Gegendemonstration stattfinden.

Der Aufmarsch der Neonazis gilt in Kelheim als Wahlkampfveranstaltung im Zuge der anstehenden Landratswahlen, bei denen sich auch die NF zur Wahl stellt. 1989 kandidierte die NF erstmals als Partei bei den Bremer Bürgerschaftswahlen, in diesem Mai trat sie im Berliner Stadtteil Hohenschönhausen zu den Kommunalwahlen an. Unter dem Motto „Scheinasylanten raus!“ dürfen die rechtsradikalen Anhänger der NF nun auch in Kelheim Wahlpropaganda treiben. Nach einem Demonstrationszug soll in einer Gaststätte eine Wahlkundgebung stattfinden.

„Wir sind sensibilisiert durch die Vorgänge in Rostock“, betont Blumberg. Der Verfassungsschutz habe dem Landratsamt jedoch mitgeteilt, daß die NF bei den „Vorfällen“ in Rostock nicht beteiligt gewesen sei. Das Asyl sei ein wichtiges Grundrecht, sagte Blumberg, doch auch die Versammlungsfreiheit müsse gewährleistet sein. Außerdem finde der Aufzug nicht in der Nähe des Kelheimer Flüchtlingswohnheimes statt, sondern auf der anderen Seite des Rhein-Main-Donau-Kanals. Der Propagandamarsch durch Kelheim dürfe nur unter strengen Auflagen stattfinden. Uniformen, Vermummung und Waffen seien verboten. Aufgrund des verkaufsoffenen Samstags stehe dem Aufmarsch außerdem nur eine halbe Straßenseite zur Verfügung. Das Kelheimer Flüchtlingswohnheim liegt nur 500 Meter von der Innenstadt entfernt.

Nach Meinung von Ignaz Wasserle, Geschäftsführer der SPD in Niederbayern, zeugt die Entscheidung des Landratsamtes von äußerster Naivität. Im Bericht des bayerischen Verfassungsschutzes wird die NF 1991 als neonazistische Gruppe eingestuft. Außerdem war es im ostbayerischen Cham im letzten Jahr nach dem Verbot eines NF-Kongresses, mit dem die „Auschwitz Lüge“ propagiert werden sollte, zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen 150 Rechtsextremisten und der Polizei gekommen. Ein breites Bündnis von der Jungen Union bis hin zu den Grünen und autonomen Kreisen hat daher für Samstag eine Gegenkundgebung in Kelheim angekündigt. Mit einer Menschenkette soll das Flüchtlingswohnheim geschützt werden.