: Bosnier sollen zurück in den Krieg
Eine bosnische Mutter mit ihren beiden Kindern soll nach einer Entscheidung des Bundesamts für Asyl in ihre Heimat abgeschoben werden/ Asylrecht in Deutschland abgelehnt ■ Von Malzahn und Jenssen
Berlin (taz) — Das Bundesamt für Asyl in Zirndorf will eine 41jährige bosnische Frau mit ihren beiden fünf und elf Jahre alten Kindern in den Bürgerkrieg abschieben. Die aus der bosnischen Industriestadt Zenica stammenden Flüchtlinge waren am 24. Juni nach Deutschland gekommen und hatten dort einen Antrag auf Asyl gestellt. In der der taz vorliegenden Entscheidung des Bundesamtes vom 1. September heißt es wörtlich: „Die Antragsteller werden aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Sollten die Antragsteller die Ausreisefrist nicht einhalten, werden sie nach Bosnien-Herzegowina abgeschoben.“ Die Asylbewerber sind Moslems, sie leben zur Zeit im Main-Taunus-Kreis in Hessen.
In einer Presseerklärung der Arbeitsgemeinschaft „Pro Asyl“, die den skandalösen Fall publik machte, bezeichnete der Sprecher der Organisation, Herbert Leuninger, den Vorgang als „schieren Zynismus“. Menschen, die durch Völkermord bedroht seien, werden durch das Asylrecht nicht geschützt, sagte Leuninger. Der Frankfurter Rechtsanwalt Helmut Bäcker hat inzwischen Klage eingereicht.
Die Stadt, aus der die Flüchtlinge kommen, liegt im Tal der Neretva. Dort haben serbische Truppen schon seit längerem Stellung bezogen. Zenica wurde in der Vergangenheit immer wieder durch serbische Artillerie beschossen. Die etwa 100.000 Einwohner große Stadt beherbergt zur Zeit noch einmal so viele Flüchtlinge. Zenica hat sich in den vergangenen Monaten zu einer Fluchtburg für Bosnier entwickelt, ein Entkommen aus der eingekesselten Stadt ist aber fast unmöglich.
Das Bundesamt lehnte den Antrag der Flüchtlinge als „offensichtlich unbegründet“ ab. Warum man der aus den Kriegswirren entkommenen Kleinfamilie nicht einmal ein Bleiberecht gewähren will, wollte in Zirndorf gestern niemand sagen. „Unser Pressesprecher ist heute nicht da“, hieß es lapidar. Nach der Genfer Konvention, die auch die Bundesrepublik mit unterschrieben hat, dürfen Flüchtlinge nicht in Bürgerkriegsgebiete abgeschoben werden. „Das Asylrecht hat nicht die Aufgabe, vor allgemeinen Unglücksfolgen zu schützen“, heißt es in der Begründung der Entscheidung. Was das Bundesamt unter „allgemeinen Unglücksfolgen“ versteht, wird ebenfalls genannt: „Krieg, Bürgerkrieg oder sonstige Unruhen“.
Die Abschiebungsentscheidung des Bundesamtes, so Herbert Leuninger, habe weder den hessischen Duldungserlaß für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina noch die Abschiebungshindernisse bei drohender Folter oder bei schweren Menschenrechtsverletzungen berücksichtigt.
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