Asylstelle könnte zu böser Falle werden

■ Bezirksamt Hohenschönhausen und Gewerkschaft der Polizei haben massive Bedenken gegen eine Asylmeldestelle in der Ferdinand-Schultze-Straße

Höhenschönhausen. Aller Kritik zum Trotz will Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber Ende September nach Höhenschonhausen in ein Industriegebiet an der Ferdinand-Schultze-Straße verlegen. Das Bezirksamt Hohenschönhausen und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) haben massive Bedenken gegen das Vorhaben geäußert. Die neue Asylstelle, so heißt es, sei nur sehr schwer mit öffentlichen Verkehrsmitteln und einem langen Fußmarsch durch das Gewerbe- oder angrenzende Hochhauswohngebiet erreichbar. Vor dem Hintergrund der jüngsten rassistischen Ausschreitungen, so die Befürchtung, könne die Meldestelle Zündstoff für ausländerfeindliche Übergriffe bieten. Doch die Kritiker fanden bislang kein Gehör.

Der stellvertretende Hohenschönhausener Bezirksbürgermeister Rainer Hartmann (Bündnis 90) wollte vorgestern im Ausländerausschuß des Abgeordnetenhauses ein zentral gelegeneres Gebäude an der Konrad-Wolf-/Ecke Lichtenbergstraße als Alternative anbieten. Die CDU sorgte dafür, daß er gar nicht erst zu Wort kam.

Bislang war die am Tiergartener Friedrich Krause-Ufer gelegene Zentrale Meldestelle für alle Ausländer zuständig. Wegen des großen Andrangs und der menschenunwürdigen Zustände muß dringend Abhilfe geschaffen werden. Ausgerechnet den Asylbewerbern wird der lange Weg nach Hohenschönhausen zugemutet. Selbst der Leiter der Ausländerbehörde, Ulrich von Chamier, hält diese Lösung für alles andere als optimal, verwies aber darauf, daß es sich hier nur um ein Provisorium bis zum Inkrafttreten des Asylkompromisses im April 1993 handele. Trotz großer Bemühungen sei es nicht gelungen, ein anderes Gebäude zu finden, weil man von den Bezirken »überall nur Absagen« bekommen habe. »Auch meine Mitarbeiter steinigen mich deshalb«, gab von Chamier offen zu.

Die neue Meldestelle in einem fünfstöckigen Plattenbau der achtziger Jahre befindet sich auf einem ehemaligen Stasigelände, das von einer hohen Mauer und verwitterten Wachtürmen umgeben ist. Abgesehen von dem Nachbargebäude, in dem die Abteilung Umwelt und Volksbildung des Hohenschönhausener Bezirksamts untergebracht ist und einem Archiv des Grundbuchamts, stehen auf von Fernheizungsrohren durchzogenen Gelände nur heruntergekommene Baracken. Gegenüber vom großen Stahltor, durch das demnächst täglich bis zu 250 Asylbewerber zur Meldestelle kommen werden, befindet sich eine Einfamilienhaussiedlung. »Ich bin nicht gegen Ausländer, aber wenn sich solche Verhältnisse wie in Rostock abzeichnen, habe ich schon was dagegen.« Mit dieser Ansicht steht die Händlerin des gegenüberliegenden Blumengeschäfts nicht allein. Mit einer Meldestelle könne man vielleicht noch leben, »aber auf keinem Fall mit einem Heim.« 250 Meter weiter beginnt das neunstöckige Wohngebiet. Die Reaktionen auf die künftige Meldestelle reichen von »Uns stört das doch nicht, Rostock ist hier nicht möglich« (ein 64jähriger Rentner) bis zu verhaltener Empörung und Drohung: »Das kommt drauf an, wie die sich verhalten. Ich habe schon Angst, daß sie sich an den Kindern vergreifen«, meint eine Frau Mitte 30. Gerüchteweise will sie erfahren haben, daß »hier am kommenden Wochenende« gegen das nahegelegene Heim, in dem Vietnamesen, Jugoslawen und Mosambikaner wohnen, »ooch der Dampf abgeht«. Vier Mosambikaner an einem Imbiß erzählen von einem Landsmann, dem vor drei Monaten an der Bushaltestelle »alle Zähne« ausgeschlagen wurden. »Deutschland ist Deutschland. Heute kommen sie nicht und morgen kommen sie«, sagt einer.

Der stellvertretende Bezirksbürgermeister Hartmann bezeichnet den Innensenatsbeschluß als Entscheidung »vom grünen Tisch«. Der Bezirk habe von dem Vorhaben erst aus der taz erfahren. Das Neubaugebiet sei eine ausgesprochene Problemzone mit einer starken Konzentration rechtsradikaler Jugendlicher. Das ehemalige Stasigelände in dem unübersichtlichen Industriegebiet könne für die Asylbewerber »zu einer ganz bösen Falle werden«, befürchtet er. Plutiona Plarre