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Trübe Aussichten für die Wirtschaft

■ Das Bruttosozialprodukt wurde im zweiten Quartal 1992 nur um 0,6 Prozent gesteigert/ Es wird weniger konsumiert und unproduktiver gearbeitet/ Die Zeit des kräftigen Wachstums ist vorbei

Wiesbaden (dpa/taz) — Die Boomjahre mit drei bis vier Prozent Wirtschaftswachstum und relativ niedriger Arbeitslosigkeit sind in Westdeutschland zunächst vorbei. Nach den neuesten Konjunkturdaten aus dem Statistischen Bundesamt wuchs die westdeutsche Wirtschaft im zweiten Quartal 1992 nur noch um 0,6 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum, gemessen am Bruttoinlandsprodukt. Das Bruttoinlandsprodukt umfaßt all jene wirtschaftlichen Güter, die im Inland erzeugt worden sind. Nicht eingerechnet werden dabei die Auslandseinkünfte der Inländer und die Inlandseinkünfte von Ausländern.

Als Gründe führen die Statistiker rückläufige Investitionen, den schrumpfenden Konsum der Verbraucher und eine sinkende Arbeitsproduktivität an. Bei der Arbeitsproduktivität verzeichnete das Bundesamt deshalb einen Rückgang, weil die Zahl der inländischen Erwerbstätigen mit plus 1,1 Prozent stärker als die wirtschaftliche Leistung zunahm.

Daß das Konjunkturklima immer frostiger wird, zeigt auch die Entwicklung des Bruttosozialprodukts, das ebenfalls nur um 0,6 Prozent wuchs. Unter „Sozialprodukt“ verstehen die Statistiker alle wirtschaftlichen Leistungen einer Volkswirtschaft. Es gibt den Wert aller in einem Lande produzierten Waren und Dienstleistungen an. Es enthält auch den sogenannten Außenbeitrag (Exporte minus Importe).

Verschleiß der Umwelt zählt nicht mit

Das Sozialprodukt kann sowohl brutto als auch netto dargestellt werden. Beim Nettosozialprodukt wird auch die Wertminderung des Anlagevermögens — durch Verschleiß — in Form von Abschreibungen berücksichtigt. Nicht abgezogen von den volkswirtschaftlichen Leistungen wird allerdings der Verschleiß der Umwelt. Und Massenkarambolagen auf der Autobahn beispielsweise gehen als Positivfaktor ins Sozialprodukt ein, weil die zerbeulten Autos ersetzt werden müssen.

Vergleicht man das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit dem 1. Quartal dieses Jahres, ergab sich saisonbereinigt sogar ein Rückgang von 0,5 Prozent. Immerhin ermittelten die Statistiker für das 1. Halbjahr einen Zuwachs beim BIP von 1,9 Prozent im entsprechenden Jahresvergleich.

Von der „langsameren Gangart“ (Statistisches Bundesamt) waren vor allem privater Verbrauch und Ausrüstungsinvestitionen betroffen: Sie schwächten sich preisbereinigt um 0,4 und 3,8 Prozent ab. Der Staatsverbrauch zeigte sich dagegen mit einem Plus von 2,9 Prozent im 2. Quartal weiterhin konjunkturstützend. Auch Bauinvestitionen wiesen mit 3,3 Prozent deutlich nach oben. Der Export wuchs stärker als die Importe, so daß auch der Außenhandel noch einen positiven Beitrag lieferte. Real lag das Bruttosozialprodukt mit 682,2 Milliarden DM im 2. Quartal um 4,8 Prozent höher als vor Jahresfrist. Das Volkseinkommen kletterte um 3,2 Prozent auf 515,5 Milliarden DM.

Bundeswirtschaftsminister Jürgen Möllemann (FDP) sieht anhand der neuen Zahlen seine „Einschätzung bestätigt, daß sich in Westdeutschland das Konjunkturbild nach dem kräftigen Produktionsanstieg zu Jahresbeginn zuletzt wieder eingetrübt hat“. An diesem Bild änderten auch die jetzt revidierten Wachstumsziffern für die vergangenen drei Jahre nichts. Diese Korrektur hatte ein noch stärkeres Wachstum gezeigt, als bis dahin angenommen worden war. In den neuen Bundesländern ist laut Möllemann „noch keine durchgreifende Besserung zu erkennen“. dri

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