PRESS-SCHLAG
: Die Rückkehr des Fußballs

■ Start in die spanische und die italienische Fußball-Liga

Der Fußball kehrt zurück und er ist, ohne Zweifel, keine schlechte Entschuldigung dafür, weiterzuleben“, begrüßt Jorge Valdano — einst Poet und Stürmer im argentinischen Nationaltrikot, nun Trainer in Teneriffa — die neue Saison, die in Spanien heute mit einem Knüller beginnt. FC Barcelona gegen Real Madrid, ewig brisantes Duell der ewigen Meisterschaftsfavoriten. Im Nou-Camp- Stadion der Olympiastadt treffen die gastgebenden Meister und Europapokalsieger des vergangenen Jahres auf den königlichen Hauptstadtclub, der am Ende der letzten Spielzeit eine Demütigung nach der anderen einstecken mußte.

Während Barcelona praktisch unverändert in die neue Saison geht, hat sich bei Real einiges verändert. Anstelle des glücklosen Jugoslawen Antic ist nun Benito Floro Trainer, jener Mann, der im letzen Jahr Albacete auf einen UEFA-Cup-Platz führte. Real sei „psychisch krank“, befand der 40jährige nach kurzer Beobachtung, eigentlich müsse man 70 Prozent neue Spieler verpflichten. Doch den Spaniern bleiben in Zeiten italienischer Kaufwut praktisch nur Brosamen. Immerhin verpflichtete Madrid aus Sevilla den Chilenen Ivan Zamorano, einen Meister des Kopfballs, der den nach Mexiko zurückgekehrten Hugo Sanchez ersetzen soll. Der Rumäne Hagi wurde ins italienische Brescia abgeschoben, dafür ist der geniale Ballprivatisierer Robert Prosinecki wieder fit.

Die Generalprobe gegen Ajax Amsterdam ging im Bernabeu- Stadion mit 1:3 daneben, aber das braucht Floro nicht sonderlich zu grämen, denn Barcelona wurde weit schwerer erwischt. „Ich habe Kummer und Scham verspürt, als ich sah, wie sich einige Spieler auf dem Platz benahmen“, sagte Barça-Coach Johan Cruyff nach der 0:5-Niederlage gegen Mallorca am letzten Samstag, und das 1:3 gegen Zaragoza drei Tage später trug nicht zu seiner Beruhigung bei.

Große Hoffnungen auf die Rolle des lachenden Dritten macht sich Atletico Madrid, das weiterhin vor allem auf die langen Pässe Bernd Schusters und die Schnelligkeit des Portugiesen Paolo Futre baut. Allerdings hat sich die Mannschaft von Luis Aragones zum bisherigen Torjäger Manolo, dem letzte Saison immerhin 27 Treffer gelangen, eine zweiten Goalgetter geholt: den Mexikaner Luis García, einen wuchtigen Abstaubertypen.

Weitere halbwegs spektakuläre Einkäufe erlaubten sich La Coruna (Bebeto), Valencia (Belodedici) und Zaragoza (Brehme), der spektakulärste Streich aber harrt noch seiner Vollendung: Diego Maradonas Comeback beim FC Sevilla. Ganz anders wurde in Italien zugelangt. Die neue Regelung, die es erlaubt, beliebig viele Ausländer zu verpflichten, läßt die Clubs schier aus den Nähten platzen. Insgesamt 334 Millionen Mark wurden für 34 neue Ausländer investiert.

Natürlich war es Medienmagnat Silvio Berlusconi, der am meisten protzte. Der Kader seines AC Mailand besteht jetzt aus 24 Spielern, darunter sechs Ausländern. Zum holländischen Trio Gullit, van Basten, Rijkaard gesellten sich die Jugoslawen Savicevic und Boban sowie der Franzose Papin. Vor allem im Mittelfeld rangelt fast ein Dutzend Weltstars um die Plätze, schließlich tummeln sich hier auch noch die italienischen Nationalspieler Donadoni, de Napoli und der teuer bezahlte Lentini, von Massaro, Evani und Serena gar nicht zu reden. Der Verwirklichung von Berlusconis Traum — zwei komplette Mannschaften: eine für die Meisterschaft, eine für die Pokalwettbewerbe — scheint nichts mehr im Wege zu stehen.

Meister Milan ist auch in diesem Jahr Top-Favorit, doch die Schwächen, die die alternde Abwehr um Libero Baresi beim Supercup-Spiel gegen Parma (2:1) hatte, gibt der Konkurrenz Hoffnung. Immer wieder rannte Parmas Kolumbianer Faustino Asprilla allen davon und Baresi stöhnte gequält: „Asprilla, ein Dämon.“ Die Parmesanen, deren zweiter Star, der Schwede Tomas Brolin, noch verletzt ist, gelten als Geheimtip für die neue Saison, als ernstester Milan-Konkurrent wird jedoch einmal mehr Juventus Turin gehandelt.

Hier hat Andreas Möller seine Chancen auf einen Stammplatz stetig verbessert und das Wohlgefallen des allmächtigen Präsidenten Giovanni Agnelli erregt: „Ein spektakulärer Spieler, elegant, wie es einer sein soll, der das Juve-Trikot trägt.“ Möller selbst ist vor allem von Roberto Baggio angetan: „Bei Frankfurt hatte ich mit Bein ja schon einen guten Partner, aber dieser Baggio...“ Auch das Zusammenspiel mit Gianluca Vialli klappt, und da der brasilianische Abwehrspieler Julio Cesar und Jürgen Kohler wohl feste Größen in Trainer Trapattonis Schema sind, stehen Möllers Chancen gut, dem Engländer David Platt den dritten Ausländerplatz wegzuschnappen.

Das Dilemma der italienischen Trainer, die nur drei Ausländer pro Spiel einsetzen, also nicht einen gegen den anderen auswechseln dürfen, hat Inter Mailands Coach Osvaldo Bagnoli erkannt: „Der beste Ausländer wird immer der sein, den ich auf die Tribüne setze“, nimmt er die Kritik der Sportpresse vorweg. Zu Saisonbeginn wird das wohl der Uruguayer Ruben Sosa sein, da Darko Pancev neben Toto Schillaci im Sturm sowie Igor Shalimow und Matthias Sammer im Mittelfeld ihre Plätze vorläufig gesichert haben, auch wenn Sammer nach wie vor miserables Italienisch spricht und inzwischen als einer der sprachunbegabtesten ausländischen Fußballer, die je italienischen Boden betreten haben, gilt.

Eng könnte es für Thomas Doll bei Lazio Rom werden. Riedle ist unantastbar, der Niederländer Aaron Winter bisher überragend und der Brasilianer Djair in Lauerstellung. Die Konkurrenz des Briten Paul Gascoigne braucht Doll allerdings vorerst nicht zu fürchten. Zumindest, so lange „Gazza“ sich äußerlich noch an der Physiognomie eines fettsüchtigen Skinheads aus Fulham orientiert. Matti Lieske