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Große Koalition hat wieder Konjunktur

■ Thierse, Rommel, Struck für umfassende Zusammenarbeit/ Gerster will Asylrecht am liebsten abschaffen

Berlin (AP/taz) — Das Bonner „Mundwerk der Ossis“, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse, plädiert für eine Verständigung mit der CDU nicht nur beim Thema Asyl. „Der SPD geht es um eine Koalition, die sich mit Erfolg den Problemen der Vereinigung widmet, die die neuen Formen der Kriminalität, der Gewalt und Rechtsextremismus wirksam bekämpft“. Darüber solle ein SPD-Sonderparteitag beraten. Ein Votum Richtung große Koalition lieferte am Wochenende auch der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Peter Struck: „Ich kann mir kaum eine Situation vorstellen, die geeigneter wäre für eine Zusammenarbeit der beiden großen Parteien.“ Allerdings müsse die CDU, um auf die SPD zugehen zu können, ihre Koalition mit den Liberalen aufkündigen. Auch der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) will eine CDU-SPD-Regierung in Bonn. Er unkte, die Bundesrepublik habe Probleme zu lösen, „wie sie sonst nur in einem Krieg anfallen“.

Auch die Asylrechtsdebatte ging an diesem Wochenende weiter. Sowohl Thierse als auch der thüringische Justizminister Hans-Joachim Jentsch (CDU) verlangten, weniger AsylbewerberInnen in die neuen Länder zu schicken, da die Bevölkerung offensichtlich „überfordert“ sei. Maßstab müsse sein, so Jentsch, wo wie viele Menschen so untergebracht werden könnten, daß es nicht zu „Unverträglichkeiten“ mit der einheimischen Bevölkerung komme. Thierse sagte, ein Volk könne nicht gleichzeitig lernen, mit der Arbeitslosigkeit fertigzuwerden, in einem neuen System zu leben und mit Ausländern umzugehen.

Neue Vorschläge kamen von den sechs Justizministern der unionsregierten Länder: Sie wollen künftig schon AsylbewerberInnen, die kleine Straftaten begehen, ausweisen. Das ist bisher nur bei schweren Straftaten möglich.

Für den nordrhein-westfälischen Sozialminister Hermann Heinemann (SPD) sind die RandaliererInnen und die Beifallklatschenden dieser Wochen „keine politischen Täter“, sondern normale Kriminelle, gegen die auch so vorgegangen werden müsse. Gegen AsylbewerberInnen, die sich zuviel Sozialhilfe erschleichen, will Heinemann weiter mit erkennungsdienstlichen Mitteln vorgehen. Außerdem müsse überlegt werden, ob man die Sozialhilfe für AsylbewerberInnen senken könne.

Der Münchner Oberbürgermeister Georg Kronawitter (SPD) erneuerte die Forderung, Listen jener Länder zu erstellen, aus denen keine AsylbewerberInnen mehr angenommen werden sollen, darunter Rumänien, Polen und Bulgarien. Andernfalls befürchte er einen „Volksaufstand“ der Deutschen.

Ganz abschaffen will den Asyl- Grundgesetzartikel nunmehr der stellvertretende CDU/CSU-Bundestagsfraktionsvorsitzende, Johannes Gerster. Die neue Formulierung des Artikels 16 (2) müsse lauten: „Die Bundesrepublik Deutschland gewährt Asyl auf der Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention.“ Dies würde bedeuten, daß der überwiegende Teil der Flüchtlinge in ein Kurzverfahren geschleust würde. Während der hessische Ministerpräsident Hans Eichel (SPD) Bundesinnenminister Rudolf Seiters (CDU) erneut vorwarf, die Asylverfahren zu verzögern, will sich nun auch Bundespräsident Richard von Weizsäcker (CDU), der am Samstag ein Flüchtlingsheim im mecklenburgischen Waren besuchte, für eine Beschleunigung der Verfahren einsetzen.

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