: Klage gegen Kessel von Bad Doberan
■ Zwei Hamburger Gewerkschaften zerren Polizei vor den Kadi / Eingriff in das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit
/ Eingriff in das Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit
Nach dem Hamburger Kessel muß sich die Justiz nun auch mit dem Polizeikessel von Bad Doberan und der Polizeisperre bei Bargeshausen vor Rostock auseinandersetzen. Die Hamburger Gewerkschafter Uwe Zabel und Rolf Lutzke haben gestern die Anwältin Ursula Erhardt beauftragt, beim Verwaltungsgericht in Rostock Feststellungsklage gegen die „rechtswidrige Polizeiaktion“ einzureichen. Sie sehen ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit verletzt, weil der Hamburger Konvoi stundenlang festgehalten worden war, die Maßnahmen darauf gerichtet gewesen sei, die Teilnahme ganz zu unterbinden. Im Visier auch das Wirken der Hamburger Bereitschaftspolizei (Bepo) sowie des hanseatischen „Mobilen Einsatzkommandos“ (MEK), die maßgeblich am Bad Doberaner Kessel beteiligt waren.
Nach den gewaltätigen Überfällen auf die Rostocker Flüchtlingsunterkunft in der Güstrower Straße machten sich in den Morgenstunden des 29. August auch rund 2000 Hamburger auf dem Weg nach Rostock Lichtenhagen zum antirassistischen Protestmarsch. Unter den DemonstrantInnen die Gewerkschafter Zabel und Lutzke. Zabel ist ehemaliger Elmshorner IG Metall-Sekretär, Lutzke ist Sekretär beim Vorstand der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands.
Doch der Hamburger Konvoi kam nicht weit. Kurz nach „high noon“ wurden die Fahrzeuge aus Hamburg bei einem Zwischenstopp in Bad Doberan von „Bepos“ aus Hamburg und Unna sowie „MEKs“ aus Hamburg und Niedersachsen umstellt und eingekesselt. Die Polizeiführung verlangte eine konsequente Durchsuchung der Autos und Busse, sonst dürfe der Konvoi nicht weiterfahren. Begründet wurde die Maßnahmen mit dem Hamburger Polizeigesetz (SOG), daß aber in Mecklenburg keine Wirkung hat. Vier Stunden dauerte der Kessel an, bevor die Polizeiführung nach langwierigen Verhandlungen den Treck unkontrolliert ziehen ließ.
Damit nicht genug: Im nur vier Kilometer entfernten Bargeshauses wartete erneut eine sturmbereite Bundesgrenzschutzarmee mit Panzerwagen und Wasserwerfern auf die Hamburger. Einsatzbefehl auch hier: Die Autos zu stoppen und massiv zu filzen. Erst aufgrund der Intervention eines Richters gab die Polizei ihr Vorhaben auf, der Konvoi konnte mit fünfstündiger Verspätung nach Rostock fahren.
Die beiden Kläger halten sowohl den Doberaner Kessel, als auch die Vorkontrollen sowie das Abfilmen
der DemonstrantInnen, von denen zu keiner Zeit Gewalt- und Straftaten ausgeübt worden waren, für rechtswidrig. Und damit befinden sie sich im Einklang mit der gängigen Rechtsprechung. So hatte beispielsweise das Oberverwaltungsgericht in Schleswig die präventiven
Vorkontrollen und Sperren anläßlich der Brokdorf-Demonstration 1986 — die von Hamburger Bepos durchgeführt worden waren — als „rechtswidig“ und „Einschränkung des Demonstrationsrechts“ klassifiziert. Und das Verwaltungsgericht Hamburg hat in mehreren Be-
schlüssen nicht nur den Hamburger Kessel, sondern Vorkontrollen als „grundgesetzwidrig“ erklärt, weil dadruch „potentielle DemonstratInnen“ abgeschreckt und somit an der „Wahrnehmung ihres Grundrechts“ gehindert werden.
Kai von Appen
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