: Über Pressekonferenzen
Der bessere Film findet oft auf dem Podium statt ■ Aus Venedig Christiane Peitz
Luis Puenzo wird gefragt, warum er seine Verfilmung von Camus' „Die Pest“ auf englisch gedreht habe. „Englisch“, sagt der Regisseur, „beherrscht Argentinien. Die Sprache des Films ist Ausdruck dieser Kolonisation.“ Natürlich ist der Film auf englisch gedreht, weil Filme, die nach Hollywood klingen, sich besser verkaufen. Puenzo redet von Ästhetik, dabei geht es um Geld. Und er glaubt, wir würden ihm seine Notlüge abkaufen.
Genauso gebärdet sich sein Film. Puenzo hat keine Mühe gescheut, die Romanvorlage soweit abzuändern, bis sie zur Love-Story taugt. Seine „Pest“ wirft Fragen nach politischer und individueller Verantwortung auf, stellt philosophische Axiome zur Diskussion, prangert Diktatur und Obrigkeit an, zeigt Konzentrationslager, Massengräber, blutige Schießereien, aber eigentlich geht es nur darum, daß sich William Hurt und Sandrine Bonnaire am Ende in den Armen liegen. Nichts Schöneres im Kino als eine Liebe, die die halbe Welt in Bewegung setzt. Das Problem ist Puenzos Verlogenheit: „Vom Winde verweht“ gibt schließlich auch nicht vor, Menschheitsfragen zu beantworten.
Peter Handke krümmt den Rücken, als erwarte er Prügel. Jede Journalistenfrage kontert er wie einen Angriff. Hat er bei der Verfilmung seines Romans „Die Abwesenheit“ an das Publikum gedacht? Er sei sich selbst Publikum genug, führt er aus, erst italienisch, dann französisch und englisch. Deutsch spricht er nicht. Sein Film versammelt ebenfalls viele Sprachen: ein Spanier spricht spanische Verse über die Stille, Bruno Ganz zitiert Handke auf deutsch, und Sophie Semin, Handkes Gattin, gibt sich gepflegt französisch. Der Rest ist unbeholfenes, prätentiöses Kunstkino. Auf der Pressekonferenz mimt Handke die Personifikation seines Films, seine Sprachenvielfalt gilt nicht der Verständigung, sondern der Ästhetisierung des Autors. Die Simultandolmetscher verzweifeln. Aber jetzt springt Jeanne Moreau in die Bresche, verteidigt ihren Regisseur, scheucht die Fotografen zur Seite, will die Angreifer sehen. Sie fixiert die Journalisten, schneidet Grimassen: ein Spiel, das sie allemal gewinnt.
Vor den Saaltüren warten Otar Iosseliani und seine Hauptdarstellerin Narda Blanchet auf Handkes Abgang. Die Fotografen postieren Iosseliani an eine der Säulen des Hotels Exzelsior, mit wehender Gardine und Blick auf die Adria. Iosseliani steht stramm, blickt streng, als sei er der Hausherr dieses Palasts. An der Säule gegenüber die alte Blanchet, sie geht ein paar kokette Schritte in ihren flachen gesunden Schuhen, flirtet mit den Fotografen, die ihre Enkel sein könnten. Sie beherrscht das Spiel wie Moreau, dabei ist sie eine Laiin.
Edgar Reitz ist gut erzogen. Mit all seinen Hauptdarstellern der „Zweiten Heimat“ sitzt er auf dem Podium; die Pressekonferenz ist parallel zur Vorführung der 9. Folge angesetzt, nicht einmal fünfzig Neugierige haben sich eingefunden. Reitz muß seine Schauspieler selbst vorstellen, weder der Biennaleleitung noch dem Pressechef ist das Ereignis auch nur fünf Minuten wert. Die Qualität eines Festivals beweist sich nicht zuletzt am Umgang mit seinen Gästen. Die Konferenz beginnt eine halbe Stunde zu spät, einen Simultandolmetscher für deutsch gibt es nicht. Kaum zwanzig Minuten später werden die Mikrofone abgeschaltet. Reitz fragt die Moderatorin, mit unterdrücktem Zorn, aber vollendeter Höflichkeit: „Hat das Festival etwas gegen mich?“ Erst jetzt wird beflissen für Verlängerung gesorgt. Grund für den Stromausfall: Die Dolmetscher wollten essen gehen.
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