Rock ist Machismo

■ Die argentinische Rocksängerin Celeste Carballo trat bei der Frauenwoche auf

Auf der Bühne singt sie sich die Seele aus dem Leib. Breitbeinig steht sie hinter dem Mikrofon, klein und zierlich, eine Rocksängerin wie aus dem Bilderbuch: mit Jeans, Stiefeln, bunter Bluse und Gitarre — und dieser Stimme!

Im Gespräch ist die argentinische Musikern Celeste Carballo zurückhaltend und verbindlich. „Ich gehöre zu einer sehr starken Bewegung, die sich argentinischer Rock nennt“, erzählt sie. „In Argentinien gibt es sehr gute RocksängerInnen, die man sich in Europa einfach entgehen läßt. Argentinien hat den lateinamerikanischen Kontinent aufgeweckt: vorher gab es da überhaupt keinen Rock, es gab nur Folklore.“

Auf einer Tournee in Spanien hat Celeste vor acht Jahren gelernt, „daß ich in Lateinamerika lebe, bis dahin hatte ich immer gedacht, ich sei Argentinierin.“ Damals schrieb sie ein Lied, das sie den „Dichtern Lateinamerikas“ widmete.

Seit zehn Jahren macht sie professionell Musik, gesungen hat sie das ganze Leben lang. Einige ihrer Lieder schreibt und komponiert sie selbst, manchmal gemeinsam mit ihrer Band. „Am Anfang wollte ich meine eigenen Lieder überhaupt nicht vor Publikum singen. Ich fand sie so intim, daß ich mich schämte.“ Doch mit ihrem persönlichsten Lied, „Das Leben ergreift mich“, hatte sie vor zehn Jahren ihren größten Erfolg. „Danach habe ich mehr über andere Leute gesungen, die Lieder hatten nicht mehr diese Frische. Aber jetzt habe ich wieder zu meinem unschuldigen Ich zurückgefunden. Die Lieder auf meiner neuesten Platte, die demnächst herauskommt, sind ganz persönlich, und ich fühle, daß sie ein Erfolg sein wird. Ich bin verliebt in diese neue Platte.“

Sie habe immer noch kein Deutsch gelernt, entschuldigte sich Celeste Carballo am Sonntag in der Mensa der Hochschule für Technik. Dort sang sie für die Bremer Frauenwoche. Zu Hause in Argentinien habe sie deutsche Kinderbücher, mit Bildern, erzählt sie. „Aber ich komme nicht dazu, Deutsch zu lernen. Ich lerne jetzt Klavierspielen, das scheint mir eine internationalere Sprache zu sein.“ Letztes Jahr ist sie während der Bremer Frauenwoche erstmals in Deutschland aufgetreten. Damals ist sie der großen alten Dame der argentinischen Musik, Mercedes Sosa, begegnet und trat mit ihr in Hamburg und anderen Städten auf. „Sie ist eine große Sängerin, ich habe sie mein ganzes Leben bewundert.“

Celeste Carballo singt außer Rock auch Balladen und Tango, „aber ich bin mit dem Rock sehr verbunden.“ Und das, obwohl der Rock durch und durch machistisch sei, „machistischer als alles andere in Argentinien. Ich lebe an der Front, ich bin im permanenten Kampf, aber nicht nur, weil ich Frau bin. Machismo, das ist nicht nur die Geringschätzung der Frau, er bedeutet Egoismus. Ich versuche zu erreichen, daß andere Frauen singen und Musik machen. In meiner Band spielen zwei Frauen und drei Männer.“

Ihre Auftritte in Deutschland, ohne Band, nur mit einer Gitarre, sind für sie ein Spiel, „das ist, als sei nochmal 1982, als ich anfing, Musik zu machen. In Argentinien kennen die Leute mich schon sehr gut, und sie haben ein bestimmtes Bild von mir, dem ich nicht immer entsprechen kann. Hier kennt mich niemand, und das amüsiert mich.“ Diemut Roether

Noch ein Auftritt: Heute, 20.30 Uhr, Schlachthof