piwik no script img

Mir zuliebe das Gleiten üben

■ Herbstakademie: Manuel Fischer-Dieskau unterrichtet Meisterschüler am Cello

Schon beim Betreten des Geländes der Bremer Hochschule der Künste an der Dechanatstraße dringen tiefe, volle Cellotöne hinter einem der vielen Fenster hervor. Die internationale Herbstakademie für Musik findet hier statt, und das Cello ist ein mächtiges Instrument. In diesen Tagen gibt der junge Manuel Fischer- Dieskau, Cellist im Cerubiniquartett, Solist im Sinfonieorchester des NDR (und Sohn des Tenors Dietrich F.-D.), den Meisterklassenunterricht für CellomeisterschülerInnen.

Überlaufen ist seine Klasse nicht, denn da es in Bremen zur Zeit keine feste Celloprofessur gibt, sind Meisterschüler Mangelware. Und Manuel Fischer- Dieskaus Name hat noch nicht so einen Klang wie zum Beispiel der des Geigers Yfrah Neaman, zu dessen Unterricht in der „Herbstakademie“ eine internationale Schülerschaft eilte.

Fischer-Dieskaus Schüler haben einen ruhigen Perfektionisten zum Lehrer für drei Tage gewonnen. In der heutigen Stunde mit dem Bremer Musikstudenten Michael Dennog wird Haydns D-Dur Cellokonzert geprobt, wobei eine Klavierbegleitung das Orchester ersetzt. Die Pianistin allerdings hat nicht viel zu tun. Nach einem einmaligen Durchgang durch den ersten Satz wird an den ersten 50 Takten wieder und wieder geprobt. „Ziemlich pingelig ist er ja“, sagt Michael nachher, aber er habe sehr viel gelernt.

Während des Unterrichts sitzen sich Lehrer und Schüler mit ihren Celli gegenüber. Manuel Fischer-Dieskau hört zu, aufmerksam, und lächelt, wenn ihm was gefällt, um dann zu unterbrechen und einfach und klar seine Kritikpunkte zu erläutern. Er ist kein Charismatiker, er ist ein Lehrer, den man sich für immer wünscht.

Immer sucht er den Blickkontakt, vorsichtig vermeidet er eine Kränkung seines Schülers: „Hier kannst du, einfach mir zuliebe, das Gleiten üben“ — oder: „Du spielst oft portato statt legato, aber das ist ganz weit verbreitet.“

Er sei sehr gerne Lehrer, sagt Fischer-Dieskau, und mache oft auf seinen Konzertreisen halt bei der einen oder anderen Hochschule, um dort MeisterschülerInnen zu unterrichten. „Wenn man anderen etwas bewußt macht, wird man sich zugleich seines eigenen Spieles bewußt. Deshalb ist die Beziehung zu den Schülern immer eine gegenseitige.“

Oft wird er auf sein junges Alter angesprochen (29). Auch diesmal lächelt er: „Dieses alte Vorurteil — ein Lehrer weiß alles, kann alles und muß mindestens sechzig Jahre alt sein. Das stimmt so einfach nicht.“

Gegen Ende der Einzelunterrichtsstunde, kurz bevor das Sreichquartett den Raum belegt, schlägt Fischer-Diekau vor, den ersten Satz des Cellokonzerts noch einmal ganz durchzugehen: „Damit es auch ein bißchen Spaß macht...!“ — „Oh ja“, ruft Michael aus, und dann gehen sie das Stück durch, mit tiefer Kraft, denn das Cello ist ein mächtiges Instrument. „Sehr schön — das war sehr schön!“

Cornelia Kurth

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen