: AusländerInnen zum Deutschenproblem-betr.: Ausländerhatz
betr.: Ausländerhatz
Ich als Afrikaner finde es äußerst peinlich, daß unsere diplomatischen Vertretungen sich nicht zu den Terrorakten gegen ihre Landsleute äußern (es geht nicht ausschließlich gegen Asylbewerber, sondern gegen Ausländer allgemein).
Wenn ein Deutscher im Ausland angegriffen oder verfolgt wird, ist sofort die Bundesregierung zur Stelle, um ihn zu schützen, und alle Medien sind voll von Berichten und Mitleidsbekundungen (jüngstes Beispiel der Fotoreporter in Jugoslawien). Es ist erniedrigend und demütigend, daß nicht auch die Regierungen der hier lebenden Ausländer sich so für ihre Bürger einsetzen. [...] E.Twene
Ich habe seit ein paar Tagen die Ereignisse in Rostock und in der ganze Ex-DDR im Fernsehen und in den Zeitungen verfolgt und muß sagen, daß ich entsetzt und sprachlos bin.
Menschen aus aller Welt, Menschen, die wegen Krieg, Verfolgung und Unterdrückung ihr Land verlassen mußten, werden und wurden hier auf abscheuliche Weise um Würde und Ehre gebracht. Menschen, die laut deutschem Grundgesetz eine unantastbare Würde haben und gleich wie Deutsche gesehen werden müßten, werden und wurden wie Dreck behandelt und angegriffen.
[...] Die Politik in Bonn versagt und hat ihre ersten Opfer gefordert. Bilder wie vor einem Jahr in Hoyerswerda, wie in ganz Deutschland, wie in Rostock, Menschen, die Menschen verprügeln, die nicht deutsch sind, Hakenkreuze, „Heil Hitler“- Rufe, eingeschlagene Festerscheiben, brennende Läden und Wohnungen, Menschen, die vor Publikum andere Menschen verprügeln und bedrohen, und Menschen, die all diesen Dingen noch Applaus schenken, erinnern uns an das Dritte Reich.
So mancher Deutsche hat wohl nichts aus seiner schwarzen Vergangenheit gelernt, hat den Rückwärtsgang eingelegt und möchte den Wagen vom Berg stürzen. [...]
Ich will nicht glauben, daß Deutschland das Asyl- oder Ausländergesetz ändern will, nur weil ein paar Hirnis und Hohlköpfe da etwas tun, was ihrem Land schadet. Wenn man heute mit so einem Handeln eine Gesetzesänderung schafft, was schafft man dann in Kürze? Ich habe Angst und sehe in eine schwarze Zukunft. [...] Kilic Ercan
Wir sind zwei nordamerikanische Universitätsprofessorinnen und international bekannte Autorinnen, die zur Zeit Berlin besuchen, hier Vorträge halten und Interviews mit afro- deutschen Personen für eine Veröffentlichung durchführen.
Nachdem wir das fürchterliche Spektakel von Haß und Beifall der Bevölkerung zu den Angriffen auf Flüchtlinge in Rostock gesehen haben und uns an ähnliche Ereignisse in Hoyerswerda während unseres letzten jährlichen Besuches erinnerten, sind wir empört und tief besorgt über mehrere gefährliche faschistische Elemente, die hier im Gange sind. [...]
Immer und immer wieder sagten uns während unserer Lehr- und Vortragstätigkeit in den letzten acht Jahren Menschen in Deutschland, daß sie, je nachdem wie alt sie waren, die folgenreiche Passivität der älteren Generation während des Nationalsozialismus zutiefst bedauerten und sich davon distanzieren wollten, oder daß sie nicht gewußt hätten, was um sie herum passierte. Jetzt ist die Zeit gekommen, daß diese Stimmen sich in einem deutlichen Protest gegen eine Wiederholung dieses Teils deutscher Geschichte hörbar machen. Wo sind jedoch die persönlichen und offiziellen Aufschreie gegen diese rassistischen Ausschreitungen und diesen Fremdenhaß? [...]
Wenn die Öffentlichkeit sich wirklich um das Bild Deutschlands auf der gegenwärtigen Weltbühne Sorgen macht, wie können da die Bundes- und Landesregierungen drei Nächte eskalierender Wildheit gegen AusländerInnen anwachsen lassen, ohne laut und deutlich zu sagen: Dies muß aufhören und den Bundesgrenzschutz oder die Armee, wenn nötig, rufen? [...]
Rostock, Hoyerswerda, Übergriffe und Morde an schwarzen Deutschen, AfrikanerInnen, türkischen und asiatischen Menschen in den letzten drei Jahren werfen nicht lediglich die Frage auf, wie viele AusländerInnen in Deutschland zugelassen werden können oder wie viele ausgeschlossen werden müssen. Ausschlaggebend sind die fundamentalen Fragen von Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie, Probleme der deutschen Psyche, die in den letzten 50 Jahren nicht wirklich untersucht und angesprochen wurden und die das gegenwärtig ausgedrückte Bewußtsein der breiteren deutschen Gesellschaft durchdringen. Dies ist es, was letztlich Deutschlands Zukunft als eine Weltmacht und damit sein Image in der Welt bestimmen wird. Als AußenseiterInnen definierte Menschen zu Sündenböcken zu machen, um dringende soziale Probleme zu lösen, stellt nur eine zynische und kurzlebige Vermeidung dieser grundlegenden Fragen dar. [...]
Wenn nicht jede/r jetzt seine/ihre Macht nutzt, wie immer relativ sie sein mag, um diesem sozialen Krebs Einhalt zu gebieten, wie kann Deutschland moralische Rechtschaffenheit vor den Gerichten der Welt in Anspruch nehmen? Welche Bedeutung haben diese Ereignisse für die führende Rolle Deutschlands in der Europäischen Gemeinschaft? Wann wird der Moment kommen, wo die Menschenrechtskommissionen den Fall Deutschland behandeln werden?
Was sagen diese Entwicklungen uns als Afroamerikanerinnen; was sagen sie uns als Mitgliedern der 7/8 Prozent der Weltbevölkerung, die People of Color sind? Im nächsten Monat, im nächsten Jahr, wenn wir in Neuseeland, in England, in Japan, in Südafrika unterrichten und Vorträge halten und die Frage gestellt wird, wie war eure letzte Reise nach Deutschland, wie sieht es jetzt in Berlin aus — was werden wir den Menschen erzählen können? Prof.Gloria I.Joseph, PhD, Prof.Audre Lorde, Hon.Lit.D.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen