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Libanon zwischen Dialog und eiserner Faust

Bei den Wahlen im Süden des Landes siegte die Liste des prosyrischen Schiitenpolitikers Nabih Berri  ■ Aus Saida Khalil Abied

Nabih Berri, Chef der schiitischen und prosyrischen Amal-Bewegung, hat bei den Wahlen im Südlibanon einen klaren Sieg errungen. Alle 22 KandidatInnen seiner „Befreiungsliste“, darunter auch zwei Vertreter der schiitischen Hizballah, kamen durch. Nach den amtlichen Endergebnissen der dritten und letzten Runde der libanesischen Parlamentswahlen am Sonntag gewann Berris Allianz damit doppelt so viele Stimme wie die Liste „Volkswillen“ seines wichtigsten Rivalen, des traditionellen Schiiten-Politikers Kamal Al Assad.

Hizballah erfolgreich

„Der Staat wird mit größerer Weisheit mit der christlichen Opposition umgehen müssen“, sagte der Nasserist Marouf Saad nach Bekanntgabe des Endresultats. Trotz seiner Syrien-kritischen Haltung hatte er überraschend ein Mandat errungen. Die Christen hatten die Wahlen mehrheitlich boykottiert und ihre Führung von vornherein erklärt, sie werde die neue Volksversammlung nicht anerkennen. Zudem genießen die gewählten christlichen Abgeordneten wenig Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung — beruht ihr Erfolg doch darauf, daß sie ohne Gegenkandidaten auftraten oder daß in ihrem Wahlbezirk nur sehr wenige Stimmen abgegeben wurden.

Hoch war die Wahlbeteiligung jedoch vor allem unter zwei moslemischen Gruppierungen, den Schiiten und den Drusen, die als eine Art lokaler „Sekte“ gelten, während sich die Sunniten eher zurückgehalten hatten. Aufgrund ihrer traditionell engeren Kooperation mit den Christen fürchten die Sunniten, daß die Wahlen die Kluft zwischen Christen und Moslems im Lande vertiefen.

Angesichts der Zersplitterung der religiösen, politischen und Clan- orientierten Gruppierungen, die sich bei diesen ersten Parlamentswahlen seit zwanzig Jahren um die Gunst der WählerInnen bemühten, wird die schiitische Hizballah nun eine unverhältnismäßig starke Position im Parlament haben. Sie verfügt nur über 10 von insgesamt 128 Sitzen, kooperiert aber eng mit fünf Abgeordneten der sunnitischen Fundamentalisten und ist die einzige homogene und organisierte Kraft.

Die syrische Regierung, die auf eine Durchführung der Wahlen gedrängt hatte, tat nichts, um den Sieg der Islamisten zu verhindern, meint ein Politiker, der darum bat, seinen Namen nicht zu nennen. „Syrien will den Westen erschrecken und damit zeigen, daß es die einzige Kraft ist, die die Islamisten kontrollieren kann. Die Botschaft Syriens an den Westen ist ganz klar: Übt auf die Christen Druck aus, einen Kompromiß zu akzeptieren und ihre Opposition einzustellen, dann werde ich die Fundamentalisten kontrollieren“, fuhr er fort.

Und wie wird angesichts dieser Wahlergebnisse die neue Regierung aussehen? Die gegenwärtige Regierung von Raschid Al Sulh ist gelähmt, viele Minister sind zurückgetreten, andere haben sich am Wahlboykott beteiligt. In Beirut werden nun zwei mögliche Kandidaten für den Posten des zukünftigen Premiers gehandelt: der ehemalige Ministerpräsident Salim Al Huss und Innenminister Sami Al Khatib.

Sollte sich die christliche Opposition dazu bewegen lassen, in den Dialog mit der bisherigen libanesischen Regierung und mit Syrien zu treten, dann steigen die Chancen für Salim Al Huss. Er gilt als „sauberer Politiker“ und kann nicht nur auf die Unterstützung der Moslems, sondern auch vieler Christen zählen. Er ist von Syrien akzeptiert, hat aber auch in der Region und im Westen einen guten Ruf. Al Huss gilt als Mann des Dialogs. Er könnte die Kluft zwischen Moslems und Christen überbrücken. Beharrt jedoch die christliche Opposition auf ihrer ablehnenden Haltung, dann wird Damaskus sich lieber auf Sami Al Khatib verlassen wollen. Er ist die „eiserne Faust“ Syriens im Libanon, war in den sechziger Jahren Vizechef des libanesischen militärischen Geheimdienstes, des sogenannten „Zweiten Büros“. Das Zweite Büro war berüchtigt wegen seiner brutalen Verfolgung und Folterung oppositioneller Kräfte. 1972 floh Al Khatib nach Syrien, nachdem ihn ein Gericht wegen Wahlmanipulation und Machtmißbrauch verurteilt hatte. Im Gefolge der syrischen Truppen kehrte er 1976 in den Libanon zurück.

Ein Szenario macht jetzt in Beirut die Runde: Die christliche Opposition könnte zu „zivilem Ungehorsam“ aufrufen — keine Steuern zahlen, die Arbeit in der Regierung und Administration verweigern. Auch ein ökonomischer Krieg gegen die Regierung wäre möglich, zum Beispiel durch Währungsspekulationen. Dann, so befürchten BeobachterInnen, wird Al Khatib die Regierung bilden, den Ausnahmezustand erklären und einige christliche Politiker festnehmen lassen. Syrien rechne damit, daß die US-Regierung wegen des amerikanischen Wahlkampfes sich jetzt nicht mit Damaskus anlegen will. Denn sie braucht Syrien für Fortschritte im Nahost-Friedensprozeß. Syrien werde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen, Fakten zu schaffen.

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