piwik no script img

Hungerhilfe gibt so manches Rätsel auf

■ Die Somalia-Hilfe läuft nur langsam an — und weitere Hungerkrisen in Afrika stehen bevor

Bei der internationalen Somalia- Hilfe klaffen Rhetorik und Wirklichkeit weit auseinander. 145.000 Tonnen Lebensmittel wollen die USA der notleidenden Bevölkerung spenden— wenige hundert Tonnen sind bis jetzt von US-Flugzeugen transportiert worden, zumeist aus den vor Ort existierenden UNO-Beständen. Und der Großteil der US-Hilfe wird erst nächstes Jahr zur Verfügung stehen. 3.500 Blauhelmsoldaten will die UNO in vier somalische Städte schicken — 60 werden nächsten Samstag in der Hauptstadt Mogadischu eintreffen, 440 weitere bis zum 20. September, und für die restlichen 3.000 gibt es bis dato weder Einsatztermin noch genauen Einsatzplan.

Dabei gelten die Blauhelme als Vorbedingung für wirklich umfassende Hilfe. Das „Somali-Beistandskomitee“, ein Dachverband somalischer Organisationen in Deutschland, wies jetzt in einem offenen Brief an Außenminister Kinkel darauf hin, daß für eine effektive Hilfe „an die Stelle der unverhältnismäßig teuren Lufttransporte entsprechend verstärkte Massengütertransporte auf dem Land- und Seeweg treten“ müßten. Dies sei aber nur unter UNO-Schutz möglich. Auch „den Opfern der Plünderbanden, die in vielen Orten Somalias mächtiger sind als die sogenannten politischen Kriegsparteien“, könne „nur durch starke UNO-Truppen geholfen werden“.

Bestimmte Aspekte der bestehenden Hilfe geben zu Fragen Anlaß. Die US-Entwicklungshilfeagentur US-AID erklärte letzte Woche, sie würde vor allem Mais und Sorghum nach Somalia liefern, weil diese Nahrungsmittel dort unbeliebt seien und daher kein Somali das Zeug stehlen würde. Gleichzeitig bekräftigte sie, die US-Hilfe habe zum Ziel, die hohen Preise der vor Ort verfügbaren Nahrungsmittel zu senken, damit hungrige Somalis wieder kaufkräftig würden und Lebensmittelhamsterer ihre Vorräte auf den Markt brächten. Wie soll das zusammenpassen?

Und während private Hilfswerke und medienbewußte Regierungen sich auf die 1,5 Millionen vom Hungertod bedrohten Somalis konzentrieren, verhallen Warnungen vor ernsten Hungersnöten in anderen ostafrikanischen Ländern nahezu ungehört. Der UNICEF zufolge brauchen in Äthiopien 1,2 Millionen Menschen sofortige Hilfe; in der Provinz Ogaden, wo immer mehr Somalis eintreffen, verhungern der Organisation zufolge täglich 35 Kinder. Hunderte von Menschen leiden Hunger im Sudan, wo der Krieg der Regierung gegen die SPLA- Guerilla im Süden massive Fluchtbewegungen hervorgerufen hat; allein das von der SPLA belagerte Juba beherbergt 300.000 Zivilisten. Wegen der Dürre und des andauernden Krieges in Mosambik sind nach Regierungs- und UNO-Schätzungen 3,1 von 15 Millionen Mosambikanern hilfsbedürftig — von 460.000 Tonnen Getreide, die bis zur nächsten Ernte im März 1993 benötigt werden, sind aber bisher weniger als 200.000 in den Häfen eingetroffen; größere Transporte in Hungergebiete finden aus Sicherheitsgründen nicht statt. Dominic Johnson

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen