: Headliner zu Fuß
■ Die Speedniggs und Lemonheads im Modernes
Was ist in Bremen ein Sakrileg? Auf der Bühne zu stehen und zum Abschluß „Ciao Hamburg“ zu sagen. So geschehen am Mittwoch im Modernes. Unverzeihlich, was der Sänger/Gitarrist da von sich gab. Dabei hatte er mit seiner Band Speedniggs ein recht passables Konzert hingelegt. Vielleicht hatte ihre geographische Unsicherheit auch damit zu tun, daß sie sich zu Beginn nicht darauf einigen konnten, ob sie aus Detmold oder Bielefeld stammen. Doch das war bei ihrem musikalischen Vortrag schlicht egal. Mit einer guten Stimme ausgerüstet, im Zusammenspiel der Gitarren komplex und treibend, präsentierte sich das Quartett (dr, b, git, git/voc) als eine sehr unterhaltsame Band. Stücke wie das schon ein wenig betagte „Toys in deep freeze“ bewiesen, daß die Westdeutschen einen melodischen Weg zwischen 70er-Jahre-Rock und härteren 80er-Jahre-Independentklängen gefunden haben. Der Höhepunkt, „Depression“, könnte sogar ein Hit werden.
Und was machten die Headliner des Abends, die ehedem so gerühmten Lemonheads? Die Amerikaner spielten zuweilen, und dann spielten sie wieder nicht, weil die Baßanlage eine Macke hatte. Als sie wieder funktionierte, wurde das Ganze aber auch nicht viel besser. Die Zitronenköppe haben ohrenhörlich Probleme, die eigenen musikalischen Konturen zu definieren. Nach Umbesetzungen und einer mehr pop-orientierten letzten Platte boten sie in Bremen ein uninspiriertes Konzert. Drummer Ryan langweilte mit Simpel-Beats, während Sänger Evan Dando viel zu sehr seiner leiernden Stimme vertraute, die alsbald nur noch Eintönigkeit ausstrahlte. Das sing-sang-dominierte Spiel des Trios hörte oft sehr verdächtig nach einem Bastard aus „Beatles“ und „Housemartins“ an, denen ein Schuß Härte beigemischt wurde. Da sprang im Zusammenspiel kein Funke über, das war seichtes Songwriter-Gelulle zum Feuerzeuganzünden.
Als wollten die drei den Kritiker Lügen strafen, legten sie gegen Ende ihres Gigs auf einmal los und machten richtig Druck. Aber schon wenig später verfielen sie wieder in gleichförmiges Refrain-Gedudel, das auch nicht durch manche Rhythmusbreaks und unüberhörbar mehr Dezibel seinen Geplätscherstil verlor. Als in der Zugabe Evan Dando zur Gitarre solo sang, schien der Ofen aus. Er sang „I need your skills“. Da hätte er früher dran denken sollen.
Cool J.F.
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