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DIE KLEINE MEDIENPRAXIS — FRAU DR. MONIKA ZU NACHRICHTENKANÄLEN

Opulent muß es gewesen sein, das Buffet. So hatte man es zumindest den 600 geladenen Gästen versprochen. Kleine Häppchen für die figurbewußten Gourmets, große Brocken für die ewig Hungrigen, eine Variation ausgeklügelter Schmeicheleien für die verwöhnten Gourmets, sorgfältig arrangiert, denn das Auge ißt ja bekanntlich mit. So hatte ich es mir vorgestellt, das Menü des privaten Informationskanals VOX, der die Größten aus Politik, Kultur und Wirtschaft ins Festzelt lud. Leider haben die Gastgeber bislang die Brisanz der einzigen Medienpraxis Deutschlands übersehen, so daß ich mich nicht persönlich von der Qualität des Angebots überzeugen konnte.

Ein opulentes Buffet, nicht nur für eine ausgesuchte Gästeliste, sondern für alle Informationshungrigen hat der selbsternannte „Ereignis-Sender“ für das kommende Jahr versprochen: stündlich Nachrichten, spannende Reportagen, ausführliche Hintergrundberichte und informative Unterhaltung rund um die Uhr. Chefköche wie Hajo Friedrichs und Ruprecht Eser sowie eine 160köpfige Küchencrew sollen für die Qualität des Programms bürgen. Endlich mal schmack- und nahrhafte Kost für alle Nachrichten- und Informationsjunkies. Schluß mit der Abhängigkeit von dem US-Schnellimbiß CNN, der sich rigoros und krakenartig um den Globus schlingt. Noch vor zehn Jahren als „Chicken-Noodle- Network“ verspottet, ist die Maggi- Suppe spätestens seit dem Golfkrieg selbst an den nobelsten Tafeln salonfähig geworden. Während ein Bocuse noch die Standesehre verteidigt und Prozesse gegen McDonald's führt, weil die Imbißkette sich erdreistete, seinen Namen mit dem Hamburger-Imperium in einem Atemzug zu nennen, scheuen sich die obersten Nachrichtenzubereiter weltweit nicht, ihr Menü mit amerikanischen Konserven zu verlängern. Erstaunlicherweise ist dieses Schnellmenü aus Atlanta nirgends so beliebt wie im Ausland, vielleicht weil es dort noch neu ist und spätestens seit dem Golfkrieg als Garant für Erfolg steht, obwohl mir bisher niemand erklären konnte, worin der große Erfolg bestand. In seiner Heimat jedenfalls haben selbst nach mehr als zehn Jahren seiner Existenz nur etwa ein Prozent der Zuschauer Gefallen daran gefunden. Nun warten alle auf das angekündigte Gourmet-Programm VOX. Doch wahre Delikatessen sind teuer. Zu teuer, muß sich der amerikanische Medienkonzern Time-Warner gesagt haben und wechselte kurzerhand die Küche. Jetzt ist er Teilhaber des Berliner Nachrichtenkanals N-TV, der Eintopf und Konserven für lukrativer hält. Auch der gewitzte RTLplus-Chef Helmut Thoma war für das Projekt nicht zu gewinnen und warnte vor einem „journalistischen und wirtschaftlichen Desaster“. Die RTL-Mutter CLT setzte dem Ganzen noch eins drauf und nannte VOX ein „wirtschaftliches Himmelfahrtskommando“. Ob der einzige verbliebene Finanzriese Bertelsmann rechtlich überhaupt in der Lage ist, sich an dem Info-Kanal zu beteiligen, muß noch geklärt werden. Es bleibt also offen, ob die Nachrichtenjunkies im nächsten Jahr wirklich mit einem „High-Quality- Menü“ rechnen können. Rechnen können sie bislang nur mit N-TV. Vielleicht bieten die Berliner ja eine nahrhaftere Kost als die auf vielen Kanälen servierten Fast-food-Infos.

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