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„Tennis ist ein schwerer Sport“

■ Steffi Graf unterliegt Arantxa-Sanchez Vicario im Viertelfinale der US Open mit 6:7 und 3:6, Andre Agassi plagte sich umsonst im Prestigeduell gegen Jim Courier

New York (dpa/taz) — Wer oft genug verliert, muß lernen, damit umzugehen. Da geht es Steffi Graf nicht anders als uns. Erhebend nur, daß auch Steffi Graf — genau wie uns — im Moment der Niederlage eine tiefe Erkenntnis überkommt: „Tennis ist ein sehr schwieriger Sport. Mal spielst du gut, mal spielst du schlecht“, befand die Weltranglistenzweite verblüffend gelassen nach dem verlorenen Viertelfinale bei den US Open in New York. Wahrscheinlich aber war es weniger die Einsicht, eher stand sie noch unter Schock. Denn kurz zuvor war sie von der Spanierin Arantxa Sanchez- Vicario mit 6:7 und 3:6 besiegt worden. Nur einmal hatte sie bislang das Halbfinale in Flushing Meadow verpaßt — bei ihrem Debüt 1984.

Steffi Graf wirkte gegen die wie immer hochmotiviert hin und her rasende Sanchez-Vicario auf seltsame Weise unbeteiligt. Ihre Schläge kamen unkonzentriert, dementsprechend hoch war die Fehlerquote. Nur 62 Prozent ihrer ersten Aufschläge drehten sich ins Feld, bei Sanchez- Vicario waren es 82 Prozent. Graf leistete sich 49 sogenannte „unforced errors“, leichte, unerzwungene Fehler, die Spanierin nur 21. Und was wohl entscheidend war, sie versaute die „big points“: Von acht Breakchancen konnte sie nur drei umsetzen. Die lustige Spanierin hingegen nutzte vier von sechs Möglichkeiten im Louis-Armstrong-Stadion.

Seither fahndet Steffi Graf nach einer halbwegs sinnigen Erklärung für ihren Einbruch. An ihrer immer wiederkehrenden Schulterverletzung („Das ist chronisch, aber während des Spiels hatte ich keine Probleme“) habe es jedenfalls nicht gelegen. Auch die Möglichkeit, mit einem Sieg bei den US Open Monica Seles von der Weltranglistenspitze zu verdrängen, soll den Druck nicht ausgemacht haben: „Über die Nummer eins habe ich nicht nachgedacht.“ Was ihr allerdings keiner so recht abnehmen will, angesichts ihrer ehrgeizigen Natur. Später gab sie zu: „Ich habe wirklich nichts anderes als Tennis im Kopf, wahrscheinlich habe ich den Sport zu ernst genommen.“ Was wiederum nicht schlüssig scheint, denn selten wurde Steffi Graf so oft auf Einkaufsbummeln, Theaterbesuchen und Popkonzerten gesichtet wie in jüngster Zeit.

Was der Perfektionistin jeder sofort abnimmt, ist ihr Mißfallen über die eigene Leistung. „Ich bin nicht zufrieden über die Art und Weise, wie ich bei diesem Turnier Tennis gespielt habe“, meinte die 23jährige, bevor sie eilig ihre Koffer packte und den Court freimachte für den haarigsten Liebling der Amerikaner: Andre Agassi. Doch Agassi kann gegen Jim Courier einfach nicht mehr gewinnen. Im Viertelfinale der US Open war der Mann aus Las Vegas gegen den Mann mit dem Baseball- Schlag chancenlos. Nach drei Stunden und 47 Minuten Power-Tennis mit vielen spielerischen Highlights zog der Australian- und French- Open-Sieger Courier durch ein 6:3, 6:7 (6:8), 6:1, 6:4 ins Halbfinale am Samstag gegen seinen Landsmann Pete Sampras ein. Der 21jährige aus Florida war vor zwei Jahren der jüngste Sieger aller Zeiten in Flushing Meadows.

„Wir sind verschiedene Persönlichkeiten, aber wir spielen ähnliches Tennis“, sagte der Mann mit der Mütze nach dem fünften Erfolg in Serie über Andre Agassi. „Gegen seinen Aufschlag war ich chancenlos“, haderte der Verlierer. 22 Asse donnerte Courier seinem ein Jahr älteren Gegenspieler um die Ohren. Agassi staunte.

Dabei gewinnt Agassi zu gerne gegen Courier. 1991 hatte er im Finale der French Open in Paris gegen ihn verloren. Er war als „ewiges Talent“ mit einem Heißhunger nach Cheeseburgern, Süßigkeiten und Cola verspottet worden. Doch dann kam Wimbledon und machte das „Coca-Cola Kid“ (Observer) zum Champion.

Die Konkurrenz der beiden US- Spieler ist alt. Beide hatten bei Erfolgsschleifer Nick Bollettieri das Tennis spielen gelernt, bis sich Bollittieri schließlich ganz auf Agassi konzentrierte. Kein Wunder also, daß Courier so gerne gegen Agassi gewinnt — allein das versteinerte Gesicht seines Ex-Coaches muß ihm ein inneres Oktoberfest sein. miß

Damen-Doppel, Viertelfinale: Novotna/Sawtschenko-Neiland - M. J. Fernandez/Garrison 1:6, 6:4, 7:6 (7:1); Sanchez-Vicario/Sukova - Porwik/McQuillan 6:4, 1:6, 6:4; G. Fernandez/ Zwerewa - McNeil/Stubbs 6:3, 6:2.

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