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Mehr als 14 Attacken auf UN0-Hilfsflüge

Mindestens ein Angriff ging nicht von Sarajevo, sondern von der kroatischen Stadt Rijeka aus/ Weltsicherheitsrat berät über Einsatz von Panzern zum Schutz der Lebensmittelkonvois in Bosnien/ Flugverbot für Militärjets in Bosnien  ■ Aus Genf Andreas Zumach

In den letzten zwei Monaten ist es zu weit mehr Angriffen auf Hilfsflüge der UNO gekommen, als bisher öffentlich bekannt geworden ist. So war der Abschuß der italienischen G- 222-Transportmaschine in der vorigen Woche nur der vorläufig letzte Angriff in einer Serie von insgesamt 14 Attacken auf UNO-Hilfsflüge seit dem 7. Juli. Wie aus einer internen Aufstellung der UNO hervorgeht, die der taz vorliegt, waren davon vor allem französische Flugzeuge, aber auch britische, kanadische und deutsche betroffen. Mindestens ein Angriff erfolgte nicht am oder in der Nähe des Flughafens Sarajevo, sondern bei der kroatischen Hafenstadt Rijeka.

Unterdessen hielt der Streit um die Verantwortung für den Abschuß des italienischen Flugzeuges sowie für die Erschießung zweier französischer UNO-Soldaten am Flughafen Sarajevo auch gestern an. Die Behauptung eines französischen Offiziers, der die Absturzstelle untersucht hatte, für den Flugzeugsabschuß seien die Moslems verantwortlich, wurde von der UNO bisher nicht bestätigt. Man warte auf den Abschlußbericht einer italienischen Untersuchungsdelegation, der frühestens am Wochenende vorliegen soll. Der Beschuß eines UNO-Hilfskonvois, bei dem am Mittwoch zwei französische UNO-Blauhelme getötet worden waren, war auch das Thema einer Sondersitzung des Weltsicherheitsrates am gestrigen Donnerstag.

Erwogen wurde ein formales Verbot militärischer Flüge, von den drei Kriegsparteien wird die Bereitschaft erwartet, in einem gemeisamen Vermittlungsbüro am Flughafen Sarajevo zusammen mit den UN-Soldaten künftige Hilfsflüge zu überwachen. Zwecks Aufklärung des Abschusses einer italienischen Transportmaschine am 3. September sollen sie bei der Genfer Konferenz eine Liste mit sämtlichen Militärstandorten inklusive der Namen der Kommandeure im Umkreis von 25 Kilometern der Absturzstelle übergeben.

Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates

Vor allem auf Drängen Frankreichs diskutierte der Sicherheitsrat außerdem eine verstärkte militärische Begleitung von UNO-Hilfskonvois durch Panzerverbände. Ein Beschluß wurde zunächst nicht gefaßt. Auch eine Entscheidung über die — im Prinzip schon in der letzten Sicherheitsratsresolution vorgesehene— Aufstockung der derzeit 1.500 UNPROFOR-Soldaten wurde zunächst verschoben. Seinen Bericht mit spezifischen Vorschlägen will UNO-Generalsekretär Butros Ghali erst vorlegen, nachdem die beiden Vorsitzenden der Genfer Konferenz, Owen und Vance, aus dem ehemaligen Jugoslawien zurückgekehrt sind und ihm Bericht erstattet haben. Die bislang für Sonntag abend geplante Rückkehr von Vance und Owen nach Genf könnte sich verzögern. Angesichts verstärkter Angriffe aus serbischen Stellungen unternahmen die beiden gestern ihre Reise von Split nach Sarajevo nicht mit dem Flugzeug, sondern auf dem langwierigen Landweg.

Das UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) hat bei der Genfer Jugoslawienkonferenz sechs konkrete Bedingungen gestellt, die die Regierungen aller ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken vor einer Wiederaufnahme der Hilfsflüge nach Sarajevo erfüllen müssen.

Nach Informationen, die die taz von Teilnehmern der Konferenzarbeitsgruppe über vertrauensbildende Maßnahmen erhielt, müssen die drei Konfliktparteien sämtliche Anti- Flugzeug-Waffen aus dem Gebiet des bis zum 3. September von den UNO-Flugzeugen benutzten Luftkorridors nach Sarajevo abziehen. Die Anti-Flugzeug-Waffen im gesamten ehemaligen Jugoslawien sollen registriert und unter Kontrolle der UNO-Truppen gestellt werden. Die drei Kriegsparteien müssen nachweisen, daß sie ihren militärischen Einheiten den Befehl erteilt haben, nicht auf UNO-Hilfsflüge zu schießen und sich an das für ganz Ex- Jugoslawien vereinbarte Flugverbot für Militärjets und -hubschrauber zu halten.

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