■ Schöner - Leben: Kulturörtchen
Y. thront, mithilfe eines blauen Reduzierstücks, auf der städtischen Anschlußröhre. Mit zwei Jahren eine beachtenswerte Kulturleistung. Aber was ist das? Genüßlich blättert er in einem Büchlein, betitelt „Der Riese Plantsch“. Fahrt hin, Kulturpädagogen! Verzagt, Lehramtsanwärter! Hier bricht sich Kultur Bahn, die nie und nimmer im Bildungsystem zu erzeugen wäre! Und der Untergang des Abendlandes wird so lange auf sich warten lassen, wie Menschen auf dem Klo lesen.
Niemand wird behaupten, in der Stube vorm Puschenkino entstehe Kultur. Wir wollen schweigen von der Light-Küche. In Schlafzimmern, glaubt man amerikanischen Untersuchungen und privaten Umfragen, wird heutzutage geschlafen. Und die Schuhe putzt auch kein Mensch mehr. Die Kultur hat sich zurückgezogen aufs Örtchen, wo sie im Stillen gedeiht.
Das Menschenrecht auf Unverletzlichkeit des Stuhlgangs - von den 68ern verlacht, in Wohngemeinschaften mit Füßen getreten — soll jetzt in die UN-Charta geschrieben werden, als schutzwürgiges Kulturgut. Nach wie vor fürchten muß sich der Kloleser vor sehr kleinen Kinder, die geschlossenen Türen gegenüber schieres Unverständnis aufbringen. Bis sie, wie Y., selbst auf den Geschmack kommen. Burkhard Straßmann
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