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Ikebana contra Männerkurs

■ Tagebuchaufzeichnungen der Eheleute F., die der häusliche Frust zur Volkshochschule trieb

Liebes Tagebuch,

ich habe endlich den Entschluß gefaßt, mich ein bißchen von Franz-Erwin zu emanzipieren. Es geht einfach nicht so weiter. Das Ehegespons sitzt jeden Abend vor dem Fernseher hinter einer Barrikade von Bier und bringt gerade noch »muh« und »mäh« heraus, wenn ich ein ernsthaftes Gespräch beginnen will.

Verdammte Scheiße,

ich glaube, die Erika hat einen Liebhaber. Komm' ich abends müde nach Hause, knallt sie mir Möhrchenauflauf auf den Tisch und verschwindet einfach: »Tschüß, ich hab noch'n Termin«. Ohne Erklärung, ohne alles. Schon zweimal hintereinander hat sie mich in den Mohrrüben sitzenlassen.

Liebes Tagebuch,

ich kann mich immer noch nicht entscheiden. Das »Jeder kann Gedichte verstehen«-Seminar spricht mich schon sehr an, aber ein Italienischkurs wäre vielleicht auch nicht schlecht. Francesco-Erwino wird stolz auf mich sein, wenn wir das nächste Mal in die Pizzeria in der Gneisenaustraße einkehren und vino roto bestellen.

Unverschämtheit!

Jetzt bringt sie sogar schon die Blumen ihres Liebhabers mit ins Haus. Ich habe das Gewölke gepackt und in den Kompost geschmissen.

Liebes Tagebuch,

Franz-Erwin hat sie nicht mehr alle. Hab ich mich doch endlich zum Ikebana-Kurs durchgerungen, und dann vernichtet er mir nichts dir nichts mein erstes Kunstwerk! Mir nichts? Dir nichts! Ich werde meine Emanzipationsanstrengungen verdoppeln.

Nachdem sich schon wieder blumige Liebesgrüße auf unserem Schuhregal breit machten, habe ich Erika zur Rede gestellt. Sie stritt alles ab, nannte mich einen halbgaren Ochsenschwanz und drückte mir das Kursprogramm der Kreuzberger Volkshochschule in die Hand. Ich solle gefälligst auch mal lernen, daß die Genüsse des Lebens über die Spitze der Fernsehantenne hinausgetrieben werden können. Schlappis seien out. Der moderne Mann greife aktiv in seine Umwelt ein. All solche Unverschämtheiten. Die wird sich noch wundern.

Liebes Tagebuch,

ich fürchte, mit unserer Ehe geht es langsam zu Ende. Franz-Erwin wird immer unleidlicher. Das Schlimme ist: Ich kann schon jetzt wortwörtlich zitieren, was er antworten würde, wenn ich sage, wir sollten uns mal über uns unterhalten. Vielleicht müssen wir erst über uns selbst hinauswachsen? Zum Glück gibt es ja die Volkshochschule. Um mir ein paar Grundlagen der Psychoanalyse draufzuschaffen, habe ich mir ein Wochenende für Frauen ausgesucht: »Geh aus, mein Herz, und suche Freud.«

Der Überraschungscoup ist mir voll gelungen. Erika stieß regelrecht mit mir zusammen, als sie gerade aus ihrem Gruppenbild mit Damen kam. Ich glaube, es war der Seidenmalereikurs. »Wo willst du denn hin?«, fragte sie mit aufgerissenen Augen. »Zum Männerkurs«, antwortete ich völlig cool. »Allein der Titel ist wunderbar: ‘Mann kommt an‚. Du wirst schon noch sehen.«

Liebes Tagebuch,

nachdem mir Franz-Erwin das angetan hat, muß ich jetzt zu härteren Mitteln greifen. Ich werde an dem Kurs »Kann frau Selbstbewußtsein lernen?« teilnehmen.

Ich habe es gemerkt, ich komme unheimlich gut an. Aber auf die Dauer ist das auch ein bißchen langweilig. Nun schwanke ich ernsthaft zwischen Chinesisch für Fortgeschrittene und dem Seminar »Männer begegnen sich«. Ersteres würde Erika fürchterlich einschüchtern, letzteres würde ihr den Schock fürs Leben versetzen.

Liebes Tagebuch,

ich bin ganz begeistert von meinem neuen Kurs »Selbstbehauptungstraining für Frauen«. So viele nette Damen. Und erst die Kursleiterin! Sie macht uns allen Mut, endlich mit der Faust auf den Küchentisch zu hauen, daß die Gläser zu hüpfen anfangen.

Liebes Tagebuch,

es ist etwas ganz Fürchterliches passiert. Die Volkshochschule ist abgebrannt. Franz-Erwin??? Ute Scheub

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