Verschaukelt, vertröstet, belogen

Streit um Vertragsabschluß: Die Deutsche Welle wird in den USA verklagt  ■ Aus San Francisco H.-H. Kotte

Das Anfang des Jahres in Berlin gegründete „Auslandsfernsehen“ der Deutschen Welle sorgt in den USA für einen Skandal. Nach einem Bericht der deutschsprachigen US-Wochenzeitung Neue Presse vom 2. September soll die Deutsche Welle wegen eines umstrittenen Exklusivvertrags vom Deutschen Fernsehen in Amerika (DFA/ATN) auf zehn Millionen Mark Schadensersatz verklagt werden. DFA/ATN fühlt sich von der Deutschen Welle in Köln hinters Licht geführt: Während dem deutsch-österreichisch-schweizerischen Sender zunächst die kostenlose Übernahme des deutschsprachigen Satelliten-TV-Programms versprochen worden war, hat nun ein privates Bildungsfernsehen namens „Mind Extension University“ in Denver (Colorado) die Ausstrahlungsrechte exklusiv zugesprochen bekommen. Alle anderen Interessenten werden damit ausgeschlossen.

Das behauptet zumindest Pierre A. Kandorfer, der Direktor von DFA, das von der Firma American Televions News Inc. (ATN) produziert wird. „Wir haben eine schriftliche Zusage des Vertriebsleiters der Deutschen Welle, Hans Rose, vom 18.März 1992“, sagte er auf Nachfrage gegenüber der taz. „Uns wurde mitgeteilt, daß das Programm der Deutschen Welle kostenlos und ohne Abgeltung von Urheberrechten vom Satelliten abgenommen werden darf.“ DFA/ATN wollte das TV- Programm der staatsfinanzierten Deutschen Welle ab September übernehmen und hatte einen Sendeplatz bereits reserviert. Kandorfer: „Wir sind nachweislich verschaukelt, vertröstet und belogen worden.“

Das deutsche Programm von DFA/ATN wird auf dem „International Channel“ ausgestrahlt, der in den gesamten USA über Satellit empfangen werden kann und in vielen Großstadtgebieten auch ins Kabel eingespeist wird. Bis Ende 1992 wird der International Channel nach Angaben Kandorfers vier Millionen Kabelhaushalte in den USA erreichen. Die deutschsprachigen Sendungen sind weitgehend vorproduziert und kommen als Videokassetten aus Europa. Alle 14 Tage produziert DFA/ ATN nach eigenen Angaben eine deutsche Talkshow. DFA/ATN ist ein kommerzielles TV-Unternehmen mit etwa zehn MitarbeiterInnen, das sich aus Werbeeinkünften finanziert. Der International Channel zeigt Nachrichtensendungen aus den Heimatländern der eingewanderten US-Bürger in 15 Sprachen und in den USA produzierte Sendungen.

Die Deutschstämmigen werden nichts verstehen

Kandorfer will nicht einsehen, warum das aus Steuermitteln finanzierte TV-Programm der Deutschen Welle „Millionen amerikanischen Zuschauern“ vorenthalten werden soll. „Das wird keiner der 52 Millionen Deutschstämmigen [oh gosh! really such a lot of krauts in the States!? thet.] verstehen.“ Die Bindung an das Bildungsfernsehen Mind Extension University bedeute nämlich, daß nun neben den Nachrichtensendungen von ARD und ZDF auch das Programm der Deutschen Welle exklusiv an ein Bildungsfernsehen vergeben werde. Tagesschau und heute sind laut Kandorfer auf dem Uni-Satellitenkanal Scola zu sehen.

Nun wollen DFA/ATN und der International Channel gemeinsam gegen die Deutsche Welle klagen. Laut Kandorfer hat DFA/ATN auch Anzeige beim Bundesrechnungshof erstattet. Der solle das Vertriebsgebaren der Deutschen Welle in den USA untersuchen.

Kandorfer meint, daß nur private „Verbindungsgeschäfte“ von Vertriebsleuten hinter dem Exklusiv- Vertrag stecken können. Besonders verdächtig kommt dem DFA-Chef eine Firma namens „Eurotel Inc.“ in Corvallis (Oregon) vor, die die kommerziellen Unternehmungen der Deutschen Welle in den USA abwickelt. Vertriebsleute der Deutschen Welle sollen auch enge private Beziehungen zu den Betreibern der Firma unterhalten. Laut Kandorfer erhält Eurotel 25Prozent der Einnahmen aus der Ausstrahlung der Deutsche Welle-Kassettensendung Drehscheibe Europa, die bei DFA/ ATN über den Sender geht.

Hinter vorgehaltener Hand werde die Firma Eurotel als „Geldwaschanlage bezeichnet, von der auch andere profitieren“, berichtet die Neue Presse. Allerdings macht die Wochenzeitung in dieser Richtung nur sehr ungenaue Angaben. Kandorfer präzisierte gegenüber der taz seine Vorwürfe folgendermaßen: Seines Wissens sei eine Abwicklung der Deutsche-Welle-Gelder über eine private Firma wie Eurotel nicht rechtens. Er gehe davon aus, daß die Verbreitung des Deutsche-Welle-Programms absichtlich eingeschränkt werde, um mehr Sendungen auf Kassetten verkaufen zu können.

Laut Neue Presse ist die Entscheidung für Mind Extension University zwischen der Zentrale in Köln und dem Berliner Ableger, der den größten Teil der Programme produziert, umstritten. Die Zeitung zitiert eine anonyme Mitarbeiterin: „Wir sollten jedem die Hand reichen, der unsere Programme kostenlos für uns vertreiben will.“

Der Intendant der Deutschen Welle, Dieter Weirich, kann laut deutschen Presseberichten keine „bindende Verpflichtung mit DFA/ ATN“ erkennen. Ich sehe einer Klage gelassen entgegen.“ Entscheidend sei bei der Auswahl der Mind Extension University gewesen, daß diese „mehr ZuschauerInnen“ erreiche. Warum dazu ein Exklusivvertrag notwendig ist, bleibt Weirichs Geheimnis. Der Intendant räumte ein, daß bei der öffentlichen Bestätigung der Nutzungsmöglichkeit etwas voreilig gehandelt wurde.

Nach Angaben der Mind Extension University, einer Art private Fernuniversität, die sich aus Studiengebühren finanziert, kann sie maximal 21 Millionen Kabelhaushalte erreichen. Ein Sprecher des Bildungsfernsehens, das zu einem US- Kabelimperium gehört, teilte mit, daß die Verhandlungen mit der Deutschen Welle noch andauern.