Heinemann über „Drehbuch“ gestolpert

NRW-Gesundheitsminister ließ sich für Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß präparieren  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Hermann Heinemann ist am Donnerstag abend wegen der sogenannten „Drehbuchaffäre“ zurückgetreten. Heinemann hatte sich zur Vorbereitung seines Zeugenauftrittes vor dem Düsseldorfer Untersuchungsausschuß von seinen Beamten ein 136 Seiten umfassendes Papier erstellen lassen, das die Opposition aus gutem Grund als „Anleitung zur Falschaussage“ heftig kritisiert hatte. In dem 300 Fragen samt Antworten umfassenden „Drehbuch“ wird Heinemann zum Beispiel empfohlen, bei heiklen Fragen zu mauern und „Nichtwissen“ vorzutäuschen.

Nach Bekanntwerden des „Drehbuchs“ durch den Spiegel hatte die Landesregierung zunächst versucht, den Vorgang als „völlig normale“ Vorbereitung eines Zeugen herunterzuspielen. Die Vorwürfe der Opposition, so Heinemann damals, seien „ungeheuerlich“. Dieses wenig originelle Ablenkungsmanöver brach dann Mitte der Woche vollends in sich zusammen, weil sich der Minister gezwungen sah, der Opposition das Papier herauszurücken.

Die gemeinsam agierenden schwarz-gelb-grünen Oppositionspolitiker trauten ihren Augen nicht. Aus dem Dokument ging zweifelsfrei hervor, daß das Ministerium längst nicht alle Akten dem U-Ausschuß, der eine 26-Millionen-Mark- Subvention an ein privates Bochumer Therapiezentrum durch das Heinemann-Ministerium untersuchen soll, herausgegeben hatte. Diese Unterdrückung von Beweismaterial wiegt um so schwerer, als das Ministerium wider besseres Wissen eine „Vollständigkeitserklärung“ zum Aktenmaterial abgegeben hatte.

Ausschlaggebend für den Rücktritt war letztlich ein bisher nur in Auszügen bekannt gewordenes dreizehnseitiges „Strategiepapier“ des SPD- Obmanns im U-Ausschuß, Ernst-Martin Walsken. Darin werden die SPD-Ausschußmitglieder aufgefordert, in Bedrängnis geratene Zeugen durch „Entlastungsfragen“ möglichst „aktiv“ zu unterstützen. Inzwischen hat Heinemann in einem Brief an den U-Ausschuß-Vorsitzenden Bodo Hombach eingeräumt, daß auch dieses Papier von einem Beamten im Ministerium verfaßt wurde. Diese parteipolitische Instrumentalisierung von Beamten widerspricht eindeutig den gesetzlichen Vorschriften.

Nach vergleichbaren Vorfällen, die für die Christdemokraten die „Verfilzung der Ministerialbürokratie mit den SPD- Abgeordneten“ belegen, hatte sich Ministerpräsident Rau schon Ende letzten Jahres in einem Brandbrief an die Landesbeamten gewandt: „Die Landesbediensteten dürfen im Dienst für Fraktionen, Parteien oder Verbände nicht tätig werden, also für diese keine Redeentwürfe, Anträge und politische Papiere erarbeiten...“

Rau, der wegen der Folgen einer schweren Nierenoperation noch für Wochen ausfällt, nahm das Rücktrittsgesuch von Heinemann am Donnerstag in seiner Wuppertaler Wohnung entgegen. Ein Nachfolger steht noch nicht fest. Als möglicher Kandidat wird der SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Müntefering in Düsseldorf gehandelt. Münterfering war erst vor wenigen Wochen dem freiwillig ausgeschiedenen Heinemann im Amt des Bezirksvorsitzenden „Westliches Westfalen“ gefolgt. Der 64jährige, schwer zuckerkranke Heinemann, der seit 1985 dem Düsseldorfer Kabinett angehörte, hatte den einflußreichen Parteivorsitz zuvor 18 Jahre ausgeübt.

Bundesweit hat Heinemann immer wieder mit Vorschlägen zur Einschränkung der Rechte von Asylbewerbern für Aufsehen gesorgt. Nur in der Drogenpolitik überraschte der sozialdemokratische Traditionalist seine linken und liberalen Kritiker. Gegen den wütenden Widerstand der Konservativen setzte er als erster in der Bundesrepublik ein landesweites Modellprojekt zur Methadon-Vergabe durch.

Während die CDU den Rücktritt gestern als Anfang vom Ende der sozialdemokratischen Herrschaft in Nordrhein-Westfalen wertete, forderte der grüne Fraktionschef Michael Vesper Ministerpräsident Rau auf, jetzt eine Runderneuerung des Kabinetts zu ergreifen. Wenn durch neue Personen „endlich soziale und ökologische Fragen“ mehr Gewicht bekämen, fiele „auch eine Kooperation leichter“.