: Vitiligo Rätsel um eine uralte Krankheit
■ UKE-Symposium über Weißflecken-Krankheiten / 6 Millionen Betroffene in Deutschland / Ärzte kaum informiert
/ 6 Millionen Betroffene in Deutschland / Ärzte kaum informiert
„Wer Sie liebt, lacht trotzdem“, sagte der wenig informierte Dermatologe und entließ die hilfesuchende Vitiligo-Patientin mit einem freundlichen Lächeln. Seit Jahrzehnten machen die rund 6 Millionen an der Weißflecken-Krankheit Vitiligo leidenden Deutschen solche Erfahrungen. An diesem Woch- enende fanden zum ersten Mal rund 200 Ärtze und Patienten im der Uniklinik-Eppendorf zu einem Vitiligo-Symposium zusammen.
Mal segmentär, mal großflächig, oft symetrisch auftretende weiße Flecken prägen das Krankheitsbild, daß in der Hälfte der Fälle vor dem 20igsten Lebensjahr auftritt.
Die Vitiligo, die schon in der Bibel erwähnt wird, ist weder anstekkend noch juckend oder schuppend, und sie beeinträchtigt auch nicht die sonstige Gesundheit. Ärzte tun die auffälligen weißen Flecken deshalb meist als „kosmetische Schönheitsfehler“ ab. Für die Betroffenen ist die pigmentlose Haut viel mehr als das: Die Gefahr extremer Sonnebrände mit akuter oder chronischer Haut-Schädigung als Folge, ein daraus resultierendes erhöhtes Melanom-Risiko, abfällige Blicke, Tuscheln, schmäliche Bemerkungen sowie Intoleranz und Desinformation der Mitmenschen und der niedergelassenen Ärzte, führen oft zu einer starken psychischen Belastung — vor allem bei Kindern und Jugendlichen. In Indien werden die Erkrankten wegen der Ähnlichkeit mit Lebra noch heute wie Aussätzige behandelt.
Die Vitiligo-Ursachen sind noch immer unklar. So ergab auch der Erfahrungsaustausch der zehn europäischer Experten im Hörsaal des UKE nicht viel Neues. „Eine Störung der pigmentbildenden Melanocyten sowie eine verminderte Kalziumaufnahme der Zellen“ vermutet die am UKE forschende Dermatolgin Dr. Karin Schallreuther. Prof. Jean Paul Ortonne, Nizza, dagegen geht von einem völligen Fehlen des für die Pigmentierung zuständigen
1Haut-Enzyms aus. Der Berliner Mediziner M. badawy Abdel-Naser hat bei herausgefunden, daß Vitiligo- Haut über deutlich weniger Anti-
körper verfügt. Eine Schlußfolge
1rung daraus hatte er nicht.
Doch nicht nur die Ursachen, auch die angewandten Therapien sind umstritten. Die am häufigsten
genutzten Bestrahlungsbehandlungen haben bis heute keinem 100igen oder dauernden Erfolg gezeigt. „Jeder Patient, jede Hautpartie reagiert unterschiedlich“, berichtet Dr. Ulrich Biella aus Leipzig. Tests mit neuen Wirkstoffen, wie das aus Cuba stammende Melangenina, stecken noch in den Anfängen. Auch Heilkuren am Toten Meer führen nur zur vorrübergehenden Pigmentbildung. „Die Betroffenen lernen mit der Zeit, mit dieser Erkrankung zu leben“, berichtet Ilse Pieper-Pepperhof von der Deutschen Vitiligo-Selbsthilfegemeinschaft (DVS)*. „Wirklich schlimm ist, daß wir Informationsquelle für die Ärzte sind, und nicht umgekehrt“. Iris Stadie
*Kontakt 02845/21399
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