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Soundcheck: Erasure/Babes In Toyland/Manic Street Preachers

SOUNDCHECK

Gehört: Erasure.Hochzeitstag auf Troldhaugen von Edvard Grieg erklingt. Das Publikum wird in eine Waldlichtung entführt. Andy Bell reitet auf einem Schwan, den Oberkörper in eine weiße Boa gehüllt, in die Kulisse. Die Irritation weicht von den Gesichtern des Publikums in der halbvollen Alsterdorfer Sporthalle. Es folgt eine Retrospektive der größten Erfolge des Pop- Duos. Das zu etwa 90 Prozent aus Gabis und Klaus-Dieters aus Schenefeld bestehende Publikum gerät in Ekstase. Arme werden gen Him1

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mel zum rhythmischen Humpa- Humpa-Klatschen getreckt.

Andy Bell unterstützt von zwei Backround-Sängerinnen und sechs Tänzern und Tänzerinnen gefällt es. „Die Hamburger sind ein sehr progressives Publikum“, läßt er angesichts der Kulisse auf deutsch verlauten. Doch damit noch nicht genug der Anbiederung. Eine A-Capella-Einlage von den ersten Zeilen von „Er gehört zu mir“ von Marianne Rosenberg folgt. Die Masse gröhlt vor Begeisterung. Rhythmisches Humpa-Humpa-Klatschen.

Diese Ekstase wird nur noch von dem dramaturgischen Höhepunkt dieser Revue, dem Abba-esken Teil überboten. Das Emblem der Siebziger-Jahre-Gruppe prangt übergroß in Leuchtbuchstaben am Bühnenhimmel. Bell intoniert „Waterloo“, um dann gekonnt mit Partner Vince Clark und den beiden Sängerinnen bei „Voulez Vous“ in die Abba-typischen Tanzbewegungen zu verfallen. Humba-Humba-Geklatsche des Publikums.

Auch Coverversionen anderer Art, etwa „Stand By Your Man“ (ursprüngliche Interpretin: Patsy Klein) werden im netten Erasure- Einheitsstampf abgespielt. Wagnisse, wie etwa unbekanntes neues Songmaterial, bleiben aus, das „progressive Publikum“ wird ausschließlich mit in ansehnliche Kulissen gesetzten Smash-Hits abgefüttert. Von „Oh, L'Amour“ bis „I Love To Hate You“ sahen die norddeutschen Fans eine Leistungsshow der Chartserfolge. Kai Rehländer

Heute abend: Babes In Toyland/

Manic Street Preachers. Die Manic Street Preachers sind Rebel-Poser, die sich Eisenplättchen unter die Cowboystiefel nageln. Ihre fransenmäulige Kraftmeierei ist in ihrer artigen Selbstverliebtheit hochgradig kapitalismus-freundlich und dabei noch nicht einmal chic. Sprechblasen, angefüllt mit pubertären Begriffsgewichten, dazu Musik, die aus dem Gemenge englischer Gitarrenbands nicht hinauszuschallen weiß, zeigen sie als klassische Trittbrettfahrer. Dagegen besitzen Babes In Toyland immerhin Lebensgeist und Anflüge von Sachverstand. Ihr Rock ist Rock und bleibt auch Rock, doch scheint es ihnen mit der Musik wirklich ernst zu sein. Sie wollen eine Band sein, sie wollen gut sein und sie deprimieren sich und ihr Publikum nicht mit Parolen, die wie Stubenfliegen im Kopf rumschwirren, und doch nie faßbar werden. So verhält sich BIT zu MSP wie Therapie statt Strafe. Vom energetischen Sprung in die Nirvana-Schale sind aber auch sie weit entfernt. tlb

Markthalle, 21 Uhr

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