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Moslems nutzen „serbische Schwäche“

Bosnische Verteidigungsverbände rüsten zur Gegenoffensive / Druck von UNO und EG auf Serbien nimmt zu: Flugverbot für Kampfflugzeuge und Kontrollen auf serbischen Militärflughäfen  ■ Aus Budapest Roland Hofwiler

Die Kämpfe um Sarajevo drohen zu eskalieren. In der kommenden Woche wollen die muslimisch-kroatischen Verteidigungsverbände die „Entscheidungsschlacht“ einleiten. Dies verkündete am Wochenende der Stadtkommandant der bosnischen Hauptstadt, General Halilovic. Man rechne zwar mit „verlustreichen Kämpfen“, doch die Lage für eine Gegenoffensive sei besser denn je: die Kampfmoral der serbischen Soldaten sei auf dem Tiefpunkt. Dagegen verfüge die bosnische Seite mittlerweile über genügend „modernes Waffenmaterial“.

Die Ankündigung zum Gegenschlag kommt nicht unerwartet. Der Druck auf Serbien durch die UNO, vor allem aber die EG-Staaten, wird immer stärker — zugunsten der Muslimanen, wie diese zu wissen glauben. So haben die EG-Außenminister am Wochenende in London beschlossen, daß über dem bosnischen Luftraum generelles Flugverbot für (serbische) Kampfflugzeuge gilt. Ab nächster Woche sollen darüber hinaus alle serbischen Militärflughäfen auf dem Territorium Rumpf-Jugoslawiens von internationalen Beobachtern kontrolliert werden. Auch die Überstellung einiger schwerer serbischer Geschütze um Sarajevo an die UNO, bewerten muslimische Militärs als „Zeichen serbischer Schwäche“. Obwohl unklar ist, in welchem Umfang die Serben ihre Zusage einhielten. So bestreitet EG- Vermittler Lord Owen, daß Serbenführer Karadzic die in London vereinbarte Unterstellung der Waffen um Sarajevo und drei weitere bosnische Städte einhalte.

Diese unklare Situation wollen die bosnischen Generäle offensichtlich ausnützen. In Zugzwang fühlen sich jedoch auch die Politiker. Der Winter naht, über die Luftbrücke werden zuwenig Hilfsgüter für die 370.000 Einwohner Sarajevos eingeflogen, und immer mehr Menschen leiden an Unterernährung und Krankheiten.

Noch ein weiteres Problem macht den Muslimanen zu schaffen. Nicht nur die serbischen Aggressoren wollen einen Friedensvertrag aushandeln, der den Status quo auf dem Schlachtfeld sichert. Auch die Kroaten sind bestrebt, die selbstproklamierte „Republik Herzeg“, zu erhalten. Gab es in der letzten Zeit bereits Anzeichen dafür, daß sich Muslimanen und Kroaten gegenseitig in den Rücken fallen, so will auch das offizielle Zagreb vom gemeinsamen „Verteidigungspakt“ mit Sarajevo nun nichts mehr wissen.

Nach kroatischen Presseberichten, wurden die Muslimanen in den letzten Monaten mit hochmodernem Kriegsgerät aus der Türkei, Saudiarabien und dem Iran „hochgerüstet“. Der Waffentransfer soll heimlich über kroatisches Territorium gelaufen sein, so daß das militärische Kräfteverhältnis sich bereits einseitig verschoben habe und eine für Kroatien gefährliche Situation entstand. Nur deshalb beschlagnahmte man am letzten Donnerstag die Ladung eines iranischen Flugzeuges, das offiziell Medikamente für Bosnien, in Wahrheit aber militärisches Gerät geladen hatte. Nach Meinung kroatischer Militärexperten nicht der erste iranische Waffentransport. Glaubt man ihnen, so will Zagreb der bosnischen Regierung ab sofort keine militärische Hilfeleistung mehr bieten. Dessen bewußt, würden nun die Bosnier die gehorteten Waffen gegen den Aggressor einsetzen — kurz bevor sich Serben und Kroaten unter Mitwirkung von UNO und EG auf einen Friedensvertrag hinter dem Rücken der Muslimanen einigen.

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