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Was Schönes für die Stube

Das Museum für Hamburgische Geschichte zeigt eine Ausstellung mit  ■ Porträtbildern

Eine illustre Galerie der bürgerlich-hanseatischen Selbstdarstellung erwartet den Besucher im Museum für Hamburgische Geschichte. 132 Porträts aus vier Jahrhunderten sind dort unter dem Titel Gesichter und Persönlichkeiten versammelt. Die Ausstellung mit Öl- und Pastellbildern, Aquarellen, Zeichnungen und Miniaturen ist das Ergebnis einer Bestandsaufnahme, die die Kunsthistorikerin Gisela Jaacks im Museum am Holstenwall betrieben hat. Bei der Sichtung der insgesamt über tausend Hamburgischen Porträts, die teils im Besitz des Museums, teil als Dauerleihgaben dort archiviert sind, traf Gisela Jaacks eine präsentable Auswahl.

Ohne die intelligente Gliederung nach inhaltlichen (statt chronologischen) Gesichtspunkten, wäre die Ausstellung wohl wenig wertvoll.

1Denn auf revolutionäre Brüche in

der Darstellung, Hinweise auf verborgene Skandälchen, Familienzwiste, Tragiken - kurz: alles was die Bildnisse fremder Ahnen individuell und damit interessant machen könnte - wartet der Betrachter vergeblich. Statt dessen aber ordnen sich die „Gesichter und Persönlichkeiten“ zu einer schönen Kulturgeschichte pfeffersäckischen Standesbewußtseins, hanse-

atisch-spröder Arroganz - und selbstverständlich: Contenance.

Neben den Auftragsporträts, die die Herren Kaufmänner, Senatoren und Pastoren in schweren Ölfarben von sich anfertigen ließen, wurde in Hamburg, früher als in anderen Städten, das Prinzip der bürgerlichen Ahnengalerie entdeckt. Die Konterfeis derer von Amsinck finden sich ebenso in der Ausstellung

1vereint, wie die der Meyers, nach denen wohl keine Straße in Hamburg benannt worden ist. Auch der Wandsbeker Dichter Matthias Claudius hat sich und die Seinen in einer Familiengalerie verewigt.

Ein eigene Abteilung ist den Dichtern der Hansestadt, von Lessing bis Arno Schmidt, eine zweite den einst berühmten Mimen gewidmet, etwa dem schönen wie eitlen Schauspieler Robert Nhil, der zu Zeiten seiner Hamburger Engagements Ende des 19. Jahrhunderts Stadtgespräch gewesen sein soll.

Kulturgeschichtlich interessant sind auch die „Ehepaarporträts“, die nicht nur das Rollenverständnis sondern auch die Position der Porträtierten in der gesellschaftlichen Rangordnung illustrieren - und illustrieren sollten. Aufwendiges Geschmeide, prunkvolle Kleidung bei

1der Gattin wurden ebenso minutiös ins Bild gesetzt, wie Orden und sonstige Repräsentationsattribute des Gatten. Wer es sich leisten konnte, der ließ noch den Nachwuchs in rührenden Szenen aquarellieren oder zeichnen.

Auch das „Familienbild“ erlebte manche Blüte. Meist manifestiert sich in den Gruppenbildern - bevorzugt wurden betont lockere, harmonische „Stubenszenen“ - wenig mehr als die familiäre Hierarchie. Das freundlichste Beispiel stammt von Johann Anton Tischbein. Sein Bild „Die Familie des Künstlers“ von 1779 erzählt, vergleichsweise ohne große Posen, eine häusliche Szene am Teetisch.

Um die Jahrhundertwende mit dem Aufkommen der Fotografie, gestaltete sich die Porträtmalerie auf neue Weise exklusiv. Nach dem

1Motto 'Jetzt erst recht' entstanden zum Teil höchst mondäne Bilder, denen aber zur gleichen Zeit zunehmend eine andere Art der Porträtmalerei gegenüberstand. „Bild des Menschen“ nannte Gisela Jaacks diese Abteilung: Im Bild wurde die Lebenssituation, die Umgebung des Porträtierten angedeutet, die geschönte Selbstdarstellung trat zurück.

Vor allem mit Fragen der Maltechnik und der Restaurierung befaßt sich eine kleine Ausstellung in der Ausstellung: Am Beispiel von Johannes Voorhouts Ölgemälde Musizierende Gesellschaft von 1674, berühmt wegen der Darstellung des Komponisten Dietrich Buxtehude, werden Bildaufbau und Restaurationsarbeit plastisch veranschaulicht. Die Ausstellung ist bis Januar 1993 zu sehen. Mechthild Bausch

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