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Extrakt aus der politischen Farbenlehre

■ betr.: "Der weiße Osten, braun gesprenkelt", taz vom 7.9.92

betr.: „Der weiße Osten, braun gesprenktelt“, Kommentar von Elke Schmitter, taz vom 7.9.92

Denen im Westen die Lage im Osten zu erklären, zog Frau Schmitter aus und servierte einen Extrakt aus der politischen Farbenlehre: wie der Osten zunächst weiß war und dann braun wurde.

Verantwortlich für die Farbgebung, so Schmitter: der Westen, natürlich. Volkspädagogische Begründung der Kommentatorin, immer in Richtung des ignoranten Westens: im Osten haben wir „eine Bande unerzogener Kinder“, „unerzogene Neubürger“ sowie „eine schlechterzogene Bevölkerung“ vor uns. Pleonasmus, nein danke.

Das erinnert an die Rede von den verführten Nichtwissern der Nazijahre, es verharmlost, vernebelt, desinformiert. Und dies, obwohl doch Berlin mittendrin liegt, keine Insel mehr ist, sein Festland heißt Ex-DDR. Mag sein, daß zu große Nähe den Blick auf die Sinne verwirrt.

Ich weiß noch gut, wie Frau Schmitters (Ex-)Kollege Klaus Hartung seine geradezu ekstatischen Kommentare tagtäglich ins Blatt hob, während und nach dem Mauerfall, als er eine unnachahmliche Analyse nach der anderen bot. Das Bild, das er von der gerade verblichenen Frontstadt zum besten gab, war köstlich: hie ein König namens Momper, da ein runder Tisch, gegen dessen demokratische Ursubstanz jeder Schweizer vor Neid zu erblassen hatte.

Frau Schmitters Kategorie „un-“ bzw. „schlechterzogen“, um darauf zurückzukommen, verharmlost nicht nur, sie ist schlicht dämlich. Vielleicht wollte sie, wie weiland meine Eltern in den fünfziger Jahren, den bösen Leuten im Osten attestieren, sie seien „ungezogen“?

Aus der Distanz ergibt sich in der Tat eine andere Lagebeschreibung: was sich in Hoyerswerda und Rostock usw. abspielt, ist Terror gegen Menschen bzw. versuchter Mord bzw. Beihilfe zu demselben, die Agierenden sind keine „Randalierer“, sondern Mitglieder terroristischer Vereinigungen. Das polizeiliche und das juristische Instrumentarium dafür ist seit den siebziger Jahren vorhanden.

Dies alles ist eigentlich dermaßen selbstverständlich, daß eine politische Debatte über rassistischen Terror, die dies ignoriert, so geisterhaft ist, wie sie ist. Auch in der taz. Johannes Winter,

Rosbach v.d.Höhe

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