: Arbeit statt Sozialhilfe — mit Schwierigkeiten
■ Rundfahrt durch Projekte, die SozialhilfeempfängerInnen beschäftigen: Die »Sonnenfrauen« bauen ein Solarboot, die »Combo-Bau« saniert Altbauhäuser, die »Schildkröte« betreibt ein Sozialrestaurant/ Jetzt aber bleiben Mittel weg
Berlin. »Ich möchte gerne Arbeit haben«, verlangt eine Sozialhilfeempfängerin vom Sozialamt. Der Sachbearbeiter, grantig: »Da sind Sie hier falsch.« »Nein, ich bin hier genau richtig«, antwortet die Frau selbstbewußt. »Nach §19 Bundessozialhilfegesetz erhalten alle Sozialhilfeempfänger die Chance, hier Arbeit vermittelt zu bekommen.« Die Dame hat recht, jedenfalls im Film: Wir sehen gerade einen hübschen TV-Werbespot, den die Senatsverwaltung für Soziales produziert hat. In der Realität hat sie weniger recht: Alle sind es keineswegs, auch wenn das Programm »Arbeit statt Sozialhilfe«, das Langzeitarbeitslosen oder alleinstehenden Müttern Arbeit, Qualifikation, eine Perspektive und einen Status als SteuerzahlerIn verschafft, den Staat langfristig sogar billiger kommen würde.
Von den rund 103.000 SozialhilfeempfängerInnen in West- und fast 30.000 in Ost-Berlin, berichtet Eckhard Schäfer von der Projektkoordination »Arbeit und Ausbildung« zu Beginn einer Presserundfahrt, werden nur 1.500 bis 1.700 — zwei bis drei Prozent — in einen Job vermittelt. Und das, obwohl »das Programm sehr gut angenommen wurde« und sich bis zu zehn Menschen auf einen Platz bewerben. Er fordert deshalb eine »Vervierfachung« der diesjährigen Fördersumme von rund 60 Millionen Mark, damit »wenigstens zehn Prozent« der Deklassierten eine Chance erhalten.
So wie die 18 Teilnehmerinnen bei den »Sonnenfrauen« unter dem Dach des DGB-Berufsbildungswerkes in Charlottenburg. Gerade bei Frauen mit »Sozialhilfekarriere« sei es wichtig, ihnen ein »neues Selbstwertgefühl zu vermitteln«, sagt »Sonnenfrau« Ulrike Zimmermann. Sie lernen, mit Schweißgerät und Solartechnik umzugehen, verdienen rund 1.800 Mark im Monat und können sich danach zum Beispiel zur Elektrikerin umschulen lassen. In der Werkstatt wird derzeit neben Solarduschen für Kleingärten auch ein schickes Solarboot gebaut. Projektleiterin Sabine Küppersbusch träumt gar von einem Betriebsausbau am Landwehrkanal, »damit wir eines Tages vielleicht mit dem Wasserbus nach Kreuzberg fahren können«.
Derzeit muß noch der Landweg bemüht werden. Bei »Combo-Bau« im hinteren Kreuzberg, einem Qualifizierungsprojekt von »Stattbau«, sind gut 30 Langzeitarbeitslose und SozialhilfeempfängerInnen für monatlich rund 1.800 Mark mit der Sanierung von Altbauwohnungen beschäftigt. Auch dort können Frauen »ihre Lust am Handwerk entdecken«, so Betreuer Ehler Schulze, der das Projekt wegen seiner Quotierung für Frauen und Ausländer »modellhaft« nennt. Kuriosum am Rande: Wegen ihrer angeblich geringeren Belastbarkeit besteht für Frauen seit den dreißiger Jahren ein »Baustellenverbot«, über das sich »Combo-Bau« jedoch mit Wissen der Behörden hinwegsetzt. »Nervig« sei der Umgang mit Behörden jedoch im anderen Sinne: Jedes Jahr müßten die Finanzverhandlungen neu geführt werden, »wünschenswert wäre eine Kontingentförderung«.
Bei der »Schildkröte«, einem Sozialrestaurant unter dem Vereinsdach von »Jugendwohnen im Kiez« in der Kreuzberger Boppstraße, ist eine Projektausweitung gen Osten gerade an den leidigen Finanzen gescheitert. In der Großküche der »Schildkröte« stellen acht weibliche und sieben männliche Ex-SozialhilfeempfängerInnen täglich an die 240 Essen her, die von der Kiez-Laufkundschaft verspeist oder ausgefahren werden. Anfang dieses Jahres fragten die Behörden, ob das Projekt nicht auch im Osten aktiv werden wolle. In Mitte wurde eine Kantine angemietet, in der ab 1.Oktober 23 Arbeitsplätze für SozialhilfeempfängerInnen aus Treptow, Friedrichshain und Lichtenberg bereitstehen sollten. Doch dann, berichtet Gunter Fleischmann, kamen die Anrufe aus eben jenen Bezirksämtern: Die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst seien nicht im Haushalt eingeplant worden, es sei kein Geld mehr da. Nun ärgern sich die »Schildkröten« grün, zumal sie nicht einsehen, daß nur ihr Stammbetrieb eine Pauschalzuwendung erhält, die Beschäftigten im Osten aber ihren Lohn individuell vom Sozialamt kriegen sollen. »Wir wollen selbst Beschäftigungsträger werden«, fordern sie. Denn für Menschen, die mühsam aus einer Schuldenkarriere herausklettern, sei es wichtig, daß am Ende ein Betrieb und »nicht das Sozialamt« ein Zeugnis ausstellt. Und daß das Projekt ehemalige Deklassierte motivieren kann, zeigt unter anderem der Fall einer Ex-Beschäftigten: Sie hat nun selbst einen Imbiß aufgemacht. Ute Scheub
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