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Eingetuppert

■ Eine Ausstellung in Essen über Tupperware

Die Unsterblichkeit ist aus Plastik, bevölkert einzeln oder in Rudeln jeden Küchenschrank und hat einen Namen: Tupper. In Deutschland ist die hartweiche Ware gerade 30 Jahre alt geworden. Für das Essener „Design Zentrum Nordrhein-Westfalen“ Anlaß genug, der „Wunderschüssel“ eine ganze Ausstellung zu widmen: gegen die postmoderne Unbrauchbarkeit des schönen Scheins. Denn in bezug auf sachliche Gestaltung, Lebensdauer und Zweckmäßigkeit wird das Chic-Schnack-Design vom Plastik-Ding glatt eingetuppert.

„Frische in Form. Tupperware — Mythos und Ästhetik einer Alltagskultur“ lautet der Titel der Ausstellung. Nun scheint Plastik nicht eben dazu angetan, Mythen hervorzubringen. Dabei revolutionierte Plastik ohne Zweifel die Alltagskultur des 20.Jahrhunderts. Rationalisierung und Massenproduktion waren die Schlagworte, die auch an der modernen Hausfrau nicht spurlos vorübergingen. Die Entwürfe des Bauhauses und die sogenannte „Frankfurter Küche“, 1927 von Margaret Schütte- Lihotzky entworfen, setzten Maßstäbe für Funktionalität und Zweckmäßigkeit im Haushalt. 1938 gestaltete Wilhelm Wagenfeld stapelbare Vorratsbehälter aus Glas, und sie gelten nach wie vor als Prototypen aller nachfolgenden Generationen.

Earl S. Tupper, ein Farmerssohn und Chemiker aus Massachusetts, entwickelte in den vierziger Jahren die ersten luft- und wasserdichten „Wunderschüsseln“ aus Polyäthylen. Der Witz dabei war der patentierte Deckel. Man zog kurz an der Lasche, drückte in der Mitte auf den Punkt und — pfft...war die Luft raus, die Frische drin. Inzwischen sind aus einem Gefäß ganze Systeme geworden, wobei die Ausstellung die Produktions- und Entwicklungsprozesse nachvollzieht. In einer Reihe von Kojen mit dem stilgerechten Wohnambiente der fünfziger bis achtziger Jahre zeigt sich die Kontinuität und die bedächtige Veränderung von Formen und Farben der Tupperware. Tupperware ist kein Artikel, Tupperware ist ein Lebensstil. Im gewöhnlichen Laden unauffindbar, werden die Objekte der Begierde in regelrechten Séancen, den sogenannten Tupperparties (im deutschen Sprachraum bescheiden „Heimvorführung“ genannt) an die Hausfrau gebracht. Vielleicht hat man bei Tuppers deren Bedürfnisstruktur als solche ausgemacht: Klatsch und Ordnung. In Japan werden sogar Kimonos eingetuppert.

Übrigens hat Tupperware, neben der Unterordnung der Form unter die Funktion und der Ästhetik unter die Benutzbarkeit, einen weiteren, im heutigen Verständnis nachgerade paradoxen Aspekt: Plastik gegen die Wegwerfgesellschaft.

Lebenslange Garantie — das ideale Hochzeitsgeschenk für die Hausfrau der fünfziger und sechziger Jahre hielt, statistisch gesehen, tatsächlich länger als die meisten Ehen — Rücknahme und Recycling hat die Firma von Anfang an betrieben und propagiert. Und ihr Gebrauch ist von der Wursttheke bis zum Kühlschrank vorgesehen. Keine Verpackung, kein Einschlagpapier, nur rein in die Dose und pffft... Thomas Fechner-Smarsly

Tupperware-Ausstellung im Design Zentrum Nordrhein-Westfalen in Essen. Bis zum 17. Oktober. Geöffnet: Dienstag bis Freitag 10 bis 18 Uhr, Samstag 10 bis 14 Uhr. Katalog 28 DM

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