: Lieb und nicht teuer
■ „Kolonialwaren“, West 3, 22.30 Uhr
Wer's schon vergessen hat, das „Kolumbus-Jahr“, wabert noch immer vor sich hin. Versuche, den grotesken Jubelfeiern zum Trotz, der Nation via Fernsehen das historisch-kritische Bewußtsein einzubleuen, gab es reichlich. Viele bemüht, einige peinlich, die wenigsten sehenswert. Vor diesem Hintergrund kommt die Reihe von acht Kurzfilmen, die Werner Biermann für die West3-Reihe „Rückblende“ gedreht hat, geradezu wohltuend unspektakulär daher. Am Beispiel der karibischen Inseln rollte er unter dem Titel „Kolonialwaren“ in jeweils 15minütigen pointierten Beiträgen die (Kolonial-)Geschichte von Produkten auf, die uns lieb und (dem Billiglohn sei Dank) längst nicht mehr teuer sind.
Frei nach Lichtenbergs Aphorismus, wonach die Indianer, die Kolumbus entdeckten, eine böse Entdeckung machten, bleibt Biermann stets bemüht, die Perspektive der Opfer dieses historischen Seeabenteuers einzunehmen. So beginnt die Reihe logischerweise mit der Sklaverei, jenem schwunghaften Handel mit Menschen, die zur Plantagenarbeit aus Afrika herangeschifft wurden, nachdem man die karibischen Ureinwohner unvernünftigerweise ausgerottet hatte.
Der zweite Teil (23.9.) widmet sich dem Zucker, der diesen Inseln den zweifelhaften Ruf als „Sugar Islands“ bescherte. Jener begehrte Süßstoff, den, entgegen einer weitverbreiteten Ansicht, erst die Europäer nach Amerika brachten, nachdem sie auf ihren Kreuzzügen im Vorderen Orient erstmals davon gekostet hatten.
In der Woche darauf gibt's eine kleine Geschichte der „trockenen Trunkenheit“, des Tabaks. Obwohl Biermann hier nicht nur dessen Geschichte, sondern geradezu leidenschaftlich die hohe Schule der Fertiggung einer echten Havanna erläutert, erfährt man auch noch, wie aus der Zigarre die schnelle Zigarette wurde: eine Erfindung von Militärs, die ihren Soldaten in zunehmend schnelleren Kriegen und entsprechend kürzeren Gefechtspausen den kurzen Genuß verschaffen wollten. (Worauf sich unsereins eine kurze Gefechtspause am Schreibtisch gönnt, um der „trockenen Trunkenheit“ zu frönen. Von wegen Havanna. Bei den Zeilenhonoraren!) Weitere Folgen der Reihe (Kakao, Kartoffeln, Baumwolle etc.) gibt's dafür jeweils mittwochs, 22.30 Uhr, West3. Reinhard Lüke
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