Bundeswehr hört bei Verweigerung mit

Bundeswehrverwaltung mischt sich grundgesetzwidrig per Geheimdekret in KDV-Verhandlungen ein/ Bremer KDV-Zentrale protestiert gegen „grundgesetzwidrigen“ Vorgang  ■ Von Bernd Müllender

Aachen/Bonn (taz) — Der Leiter des Aachener Kreiswehrersatzamtes war nicht erschienen. Dadurch platzte eine Verhandlung vor dem Ausschuß für Kriegsdienstverweigerer (KDV). Der Verweigerer, ein Zeitsoldat, aber wunderte sich, warum in dem laut Gesetz ausdrücklich nicht-öffentlichen und unabhängigen Verfahren überhaupt ein Bundeswehr-Großkopferte anwesend sein sollte. Und dadurch kommt jetzt ein Vorgang ans Licht, der die Wogen hoch schlagen läßt.

Der taz liegt nunmehr die entsprechende Weisung (schon vom 13. 3. 1992) des Bundeswehrverwaltungsamtes an die untergeordneten Wehrämter vor. Sie besagt, daß bei allen KDV-Verfahren von Berufssoldaten und von Zeitsoldaten, die sich sechs Jahre und länger verpflichtet haben, „an einer persönlichen (mündlichen) Anhörung des Antragstellers der Leiter des zuständigen Kreiswehrersatzamtes teilzunehmen hat“. Wird der Verweigerer auch noch anerkannt, ist „innerhalb einer Woche“ ein möglicher Widerspruch einzulegen. Zudem sind all diese Fälle an die Zentrale nach Bonn zu melden, unverzüglich „unter Angabe von Namen, PK, Dienstgrad und Einheit des Antragstellers“. Sollte ein Zeit-/Berufssoldat vor der Widerspruchskammer anerkannt werden, entzieht die zentrale Bundeswehrverwaltung — gesetzwidrig — den untergeordneten Stellen das Klagerecht vor dem Verwaltungsgericht gleich ganz. Verwaltungsdirektor Böhm- Tettelbach erlaubt nur noch, „mir per Telefax einen Entscheidungsvorschlag vorzulegen“.

Die Weisung kommt auf den ersten Blick zu einem überraschenden Zeitpunkt, an dem die Flut von KDV- Anträgen aus Golfkriegszeiten mittlerweile abgearbeitet ist. Die meisten Verweigerer, auch Soldaten und Reservisten, wurden anerkannt — es schmerzt die Bundeswehr wenig, denn Wehrfähige gibt es bei reduzierter Armeestärke im Überfluß. Aber längerdienende Zeit- und Berufssoldaten, die aussteigen wollen, treffen die Armee ins Mark.

Die Weisung (V/We 2-Az24-11-01) ist offenbar, aus gutem Grund, eine Geheimaktion — was schon daraus ersichtlich ist, daß im umfangreichen Verteiler der Wehrbeauftragte schlicht „vergessen“ wurde. Entsprechend empört reagiert die Bremer KDV-Zentralstelle: „Eine offene Mißachtung“ der Gesetze und „versuchte Einflußnahme“ nennt Pastor Ulrich Finckh, der Vorsitzende der KDV-Lobby, die Bonner Verfügung. Die Bundeswehr erklärt derweil, die Teilnahme ihrer Leute als Aufpasser solle „gewisse Schwierigkeiten“ unerfahrener Ausschuß-Vorsitzender verhindern helfen. Doch davon steht in der Verfügung kein Wort, und Finckh nennt diesen nachträglichen Rechtfertigungsversuch „eine offene Lüge“. Hier werde massiv und grundgesetzwidrig in ein zwar umstrittenes, aber doch noch rechtstaatliches Verfahren eingegriffen.