: Neulich...
■ ...am Ende * Der Sommer geht, geh'auch du, Süßherzraspel! / Gezuckerte Gefühle vereisen jetzt wieder
Mein Kiosk hatte zu! Der Schlag traf mich mitten ins Sommerherz. Getroffen war auch mein Pommesmagen. Kurz: Mein ganzes stolzes dolce vita kippelte. Was konnte das bedeuten? Ein kioskloses Schwimmbad!?
Natürlich, wie hatte ich das vergessen können: Saisonende war! Und bevor der Sommer schloß, machte schon mal sein Kiosk zu. Als müßte er uns vorbereiten. In der letzten bibbernden Wärme sollte man vergessen, wie es gewesen, als man auf Laken lungerte und sich mit Lakritz umwickelte. Die ersten ertranken schon vor Schwäche in den Fluten. Sinnlos sonnten letzte Menschen ihre armen Seelen. Aber das war alles noch nichts gegen das bitterste Unglück: das Verschwinden des süßen Lebens in seiner sichtbarsten Form, das Verschwinden des Kindes vor dem Kiosk! Für niemand anders ist das Glück so käuflich! Und so lieb wie teuer. Denn was kostet die Welt im Sommer? 1,45 DM. Etwa.
Myriaden von Eisfüßchen haben jeden lieben langen Sommertag den Steinboden erweicht und Blaulippenschlangen gebildet, um für 1 Mark 45 im heißen Fäustchen drei Lollies, zwei Colafläschchen und vier Lakritzschleifen zu erwerben — oder doch lieber einen Candylipstick, zwei Marshmallowmäuse und eine Tüte Spaghettigum? Oder doch lieber zwei Regenbogenlollies, vier Brausestäbchen, eine Zuckerschaumwaffel und zwei Weingummischnullis?? Oder doch lieber ein Lakritzsmilie, eine Marshmallowmaus, ein Poppylolly und dafür zwei Tütchen AHOI-Brause??? Oder doch lieber ein Tütchen AHOI-Brause, zwei Zuckerschaumwaffeln und dafür drei Kaumy-Kaugummis???? Oder doch lieber zwei supersaure Apfelbandnudeln, fünf Eiskonfekt und ein Erdbeerbällchen????? Oder doch lieber ein Doubledip, drei Wunderbälle und fünf Frische Finger?????? Oder doch lieber lauter Liebesperlen, wenn's die geben würde?
Und die herrliche Herrin des Kiosks, Pförtnerin vor der Himmelstür, umschwärmteste Frau der Stadt, griff hierhin und dorthin und schichtelte Häufchen um Häufchen, gestilltes Begehren. Das mußte das Glück des Erwachsenwerdens und sein Anreiz sein: haufenweise Erfüllung kaufen zu können.
Was für ein Versprechen! Wie schade, daß es nicht hält.
Claudia Kohlhase
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