„Mir wirde eine Falle gestellt“

■ Hans-Albrecht Koch, Ex-Unibibliotheksdirektor, aus Frankfurt/Oder zurück / Nun ist sein Stuhl besetzt

Hans-Albrecht Koch, aus dem Osten zurückF.: Bus

Ein Versorgungsfall ersten Ranges steht Bremen ins Haus: Der ehemalige Leiter der Staats- und Universitätsbibliothek (SUB), Dr. Hans-Albrecht Koch (46), der erst im Mai '92 an der neuen „Europa-Universität“ in Frankfurt/Oder als Bibliothekschef angefangen hatte, ist — frustriert, verärgert, zerstritten — wieder in Bremen. Zunächst, als „Aufbauhilfe“ Bremens für Frankfurt, nur abgeordnet, hat Koch jetzt einen Rechtsanspruch, seine bisherige Funktion wieder auszuüben. Sein Interims-Nachfolger, Egon Ditt, läßt sich im Mai '93 pensionieren. Auf den ersten Blick also alles in Butter. Aber: Koch hat bis heute keinerlei Interesse an einer Rückkehr auf den SUB-Chefsessel angemeldet. Und in der Bibliothek selbst scheint man noch erheblich weniger Lust auf ihn zu haben. Folge: der Job als Bibliotheksleiter wird in Kürze neu ausgeschrieben. Und für Hans-Albrecht Koch muß eine neue Stelle her, und zwar nicht irgendeine: Besoldungsgruppe B2, das ist Spitzengehalt im Lande, knapp unter Staatsrat. Die „Aufbauhilfe“ Bremens wird teuer.

Franfurt/Oder, unmittelbar an der polnischen Grenze: hier sollte nach dem Willen der Stolpe-Regierung eine der drei Uni-Neugründungen Brandenburgs entstehen. Neben der Uni Potsdam und der TH Cottbus also die „Europa- Universität“: dreisprachig, Jura, Wirtschafts- und Kulturwissenschaften, zeitgemäß und zukunftsorientiert. „Uni spielen und nicht gründen,“ sagt Hans- Albrecht Koch heute spöttisch. In der Tat stand und steht die Euro- Uni auf wackligen Beinen. Seit der offiziellen Gründung 1991 ist bis heute fraglich, ob der Wissenschaftsrat der Bundesregierung eine Investitionshilfe empfehlen wird — ein negatives Votum wäre das Aus für Frankfurt. Um schnell Fakten zu schaffen, startet der Studienbetrieb schon in diesem Herbst — nach einjähriger Vorbereitungeszeit! Und: der Fi

nanzminister in Potsdam dreht unablässig am Geldhahn.

Bedingungen, die den anfangs euphorischen Koch mürbe machten. Zunächst wurde mit Französisch eine Unterrichtssprache ersatzlos gestrichen. Dann wurde sein Bibliotheksetat (er fing mit dem Bibliotheksaufbau bei absolut Null an) von zugesagten 6 Millionen auf 2.5 Mio. zusammengestrichen. Nachdem eine provisorische Bibliothek zuerst in der Ruine der Marienkirche und später im Dach eines Regierungsgebäudes eingerichtet werden sollte, war es drei Monate vor Semesterbeginn immer noch völlig unklar, wohin die Bücher sollten. Eine von Koch eigeninitiativ geplante „Traglufthalle“ wurde vom Finanzminister „kaputtgerechnet“. Frust, wo man hinsah. Die Neugründung — schon ein sinkendes Schiff? Der Frankfurter UB-Leiter, der schon emsig nach einem Baugrundstück gesucht hatte, streckte seine Fühler nach Alternativen aus. Er bewarb sich in Berlin als Bibliotheksdirektor der Humboldt-Universität.

Das flog auf. Gründungsrektor Knut Ipsen, Völkerrechtler aus Bochum, reagierte ob des Verrats in der Gründungsphase der Universität prompt: Er ersuchte Koch um eine Erklärung binnen acht Tagen. Als die nicht kam, verzichtete man auf seine künftige Mitarbeit.

Koch seinerseits kündigte fast zeitgleich die Zusammenarbeit mit der Euro-Uni auf — durch eine Mitteilung an den Noch-Arbeitgeber, die Bremer Senatskommission für das Personalwesen (SKP). Seine Motivation erklärte er der taz gegenüber so: Er habe festgestellt daß er von vornherein vom zuständigen Wissenschaftsministerium „in eine Falle gelockt“ und „betrogen“ worden sei. Damit er an der Oder nicht weniger Geld verdiene als an der Weser (hier B2, dort, wie bundesweit üblich, „nur“ A16) waren ihm nämlich Zuschüsse zugesagt worden, die beamtenrechtlich gar nicht realisierbar waren. Koch: „Dieser Fehler wurde von Leuten, die sich im Beamtenrecht auskennen, sorgfältig versteckt,“ — in seiner Ernennungsurkunde, deren Empfang Koch daraufhin verweigerte. Sein Vertrauen in seinen künftigen Dienstherrn hatte durch die Affaire so gelitten, daß ihn ein Extra-Kabinettsbeschluß zwecks „Besitzstandswahrung“ nicht mehr hatte trösten können.

In Bremen existiert ein Einstellungsstop. Um Dr. Koch eine neue Stelle einrichten zu können, bedarf es einer Ausnahmegenehmigung. Am 25.September wird sich voraussichtlich der Haushaltsausschuß mit dem Fall befassen. Dann könnte schon im Oktober in der Zeit eine Annonce stehen: Die Universität Bremen sucht...“

Vielleicht direkt unter einer Anzeige „Die Europa-Universität Frankfurt/O. sucht...“ Die beginnt am 21.9. tatsächlich mit der Einschreibung. 600 StudentInnen haben sich beworben, davon 28% Polen. Es gibt vier Hörsäle in einer Schule, sechs Professoren, Wohnheimplätze in Ex-Internaten und eine Bobliothek — in einer Ex-Parteischule, dem heutigen „Kongreß-Hotel“. Die Bibliotheksleitung ist derweil an der Oder wie an der Weser kommissarisch besetzt. Burkhard Straßmann