: Volksblatt entläßt 39 Mitarbeiter
■ Sozial-liberale Traditionszeitung muß auch nach der Umstellung zur Wochenzeitung weiter abspecken/ Drei von elf RedakteurInnen müssen gehen/ Aus für die Satztechnik
Spandau. Das Spandauer Volksblatt entläßt zum Dezember dieses Jahres 39 der rund 110 MitarbeiterInnen. Die Entlassungen begründete die Geschäftsleitung am vergangenen Freitag gegenüber dem Betriebsrat mit Sparmaßnahmen. Die gesamte Satztechnik der Lezinsky Verlag und Buchdruckerei GmbH wird aufgelöst und in Zukunft an eine Fremdfirma vergeben, erklärte der kommissarische Chefredakteur Wolfgang Will gegenüber der taz. Die Maßnahme soll die Produktionskosten pro Seite verringern. Im redaktionellen Bereich muß das Blatt demnächst ohne drei der bisher elf fest angestellten Redakteure auskommen, so Wolfgang Will. Außer den Satztechnikern müssen zudem ein Archivar, eine Sekretärin und vier Vertriebsmitarbeiter die Sachen packen.
Dem wachsenden Konkurrenzkampf seit dem Fall der Mauer auf dem Berliner Zeitungsmarkt hatte das Spandauer Volksblatt nicht standhalten können: Im März dieses Jahres wurde die täglich erscheinende Abonnementzeitung zu einer Wochenzeitung umfunktioniert. 48 Arbeitsplätze mußten der Umstellung bereits im April geopfert werden. Die Geschäftsleitung hatte sich erhofft, dadurch ein wirtschaftlich tragfähiges Fundament zu schaffen. Wolfgang Will, seit Februar Chefredakteur des Volksblattes, sagte gestern der taz, er habe befürchtet, daß bei einer Umstellung zur Wochenzeitung 50 Prozent der Abonennten abspringen würden. Das habe sich nicht bewahrheitet, und inzwischen nehme auch der Kioskverkauf wieder zu. Die stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrates, Simone Heidke, vermutete gestern aber gegenüber der taz eine »miserable Auflageentwicklung« angesichts der erneuten Stellenkürzungen. Obwohl die Geschäftsleitung den Betriebsrat nicht über genaue Verkaufszahlen informiere, schätzte sie die verkaufte Auflage auf rund 16.000 Exemplare. Das reiche längst nicht, um das Blatt zu tragen. Auch wenn sich die Konkursängste der MitarbeiterInnen zunächst nicht bestätigt hätten und sie eventuell auf Abfindungen hätten verzichten müssen, so Simone Heidke, könne doch ein schleichendes Sterben des Volksblattes nicht ausgeschlossen werden.
Als Sterbehilfe könnte sich im nachhinein die Entscheidung der Verlegerfamilie Lezinski erwiesen haben, die vom Betriebsrat als unverantwortlich bezeichnet worden war: Wenige Monate vor dem Fall der Mauer beteiligte sich Springer mit 24,9 Prozent an dem chronisch unterfinanzierten Verlag. Chefredakteur Will betont, die sozial-liberale Grundeinstellung der Zeitung habe sich nicht geändert. Zwar habe eine Marktforschungsstudie ergeben, daß die boulevardeske Entwicklung des Blattes nicht gut angekommen sei. Das soll jetzt zürückgedreht werden. Mit einer umfassenden Spandauer Berichterstattung will er die Zeitung auf Erfolgskurs bringen: »Wenn in Spandau ein Kanaldeckel ausgetauscht wird, sollen die Spandauer wissen warum.« rak
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