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Die Sicherheit der Halbtotalen

■ Ein Konzertfilm der Lounge Lizards

Konzerte leben nicht zuletzt vom gemeinsamen Erleben und der Leibhaftigkeit des Vorgetragenen. Die Zuschauer erleben zur selben Zeit das Gleiche, leben und hören im gleichen Zeitraum, in dem die Musik entsteht, bekommen eine Ahnung von musikalischer Spontaneität und nehmen daher auch schlechteren Sound, kaum vorhandene Bühnenshows und kindgerechte Lichteffekte in Kauf. Dabei muß noch nicht einmal der Ort identisch sein, die „Rockpalast“-Nächte haben das über zehn Jahre lang bewiesen.

Wichtig ist die Gleichzeitigkeit. Ein Problem, mit dem Konzertfilme notgedrungen zu kämpfen haben. Allzu viele ästhetische Möglichkeiten haben die Filmemacher nicht, wenn sie ein paar stocksteif auf der Bühne stehende Musikanten abbilden wollen. Da helfen auch keine Backstage-Interviews, keine die Musiker verfolgende Kamera oder Randgeschichten. Vielmehr gilt: je besser die Inszenierung der Show, desto besser der Konzertfilm. In jüngerer Zeit bewiesen durch „Stop Making Sense“ der Talking Heads und Prince's „Sign o the Times“.

Auch „John Lurie and the Lounge Lizards Live in Berlin“ kämpft mit diesem Problem. Die Lounge Lizards sind nun mal keine Bühnenderwische trotz der schauspielerischen Talente von John Lurie. Der „James Dean der 80er Jahre“, wie ihn Die Zeit zu titulieren pflegte, steht denn auch offensichtlich im Mittelpunkt der drei abgefilmten Konzerte im Berliner Quartier Latin, die Regisseur Garret Linn so zusammengeschnitten hat, daß der Eindruck entsteht, ein einziges Konzert sei vollständig und in jeder Einzelheit dokumentiert.

Linn hat also das oben angesprochene Problem erkannt und zu bannen versucht, indem er so tut, als wäre nichts weggelassen, nichts verkürzt, die Gleichzeitigkeit eben noch vorhanden. Er beließ einen ellenlangen Witz mit schwacher Pointe, den Lurie erzählt, im Film, ebenso die manchmal sehr langen oder wieder überraschend kurzen Pausen zwischen den Stücken.

Es gibt nur wenige Momente, in denen die Kamera die gerade lauteste Quelle der Musik verläßt und die nebensächlichen, kommentierenden Randereignisse sucht, die ein Konzert erst zum Konzert werden lassen. Ein Lächeln, ein Getuschel, einmal rennt Lurie sich fast den Kopf am Baßhals ein. Aber meistens verharrt die Kamera auf den alles beherrschenden Bläsern, bestenfalls der Star Lurie ist es mal wert, herumstehend und nichtstuend abgelichtet zu werden.

Detailaufnahmen sind so gut wie nicht vorhanden, die Kamera ist immer auf Brusthöhe und verliebt in die Sicherheit der Halbtotalen. Das Publikum kommt nur akustisch vor, ganz wie in „Stop Making Sense“. Überhaupt versucht sich Linn an einer ähnlichen Ästhetik wie im Talking-Heads-Film. Aber die Show der Lounge Lizards ist keine, und deshalb funktioniert die zurückgenommene, nur abbilden wollende Ästhetik eben nicht. Die filmische Ödnis wird auch nicht behoben durch den Versuch, bei den schnelleren Stücken der Lounge Lizards Schnitt und Kameraführung durch hektisches Chaos anzupassen.

„John Lurie and the Lounge Lizards Live in Berlin“ ist ein schlechter Film über das gute Konzert einer guten Band, auch wenn der Rolling Stone einmal über die Lounge Lizards schrieb: „Rekonstruierter Jazz von jemandem, der selten Jazz hört“. Mittendrin springt Lurie plötzlich ans Mikro und fragt: „Are we boring you?“ — Gelächter und ein Ruf aus dem Publikum „Are we boring you?“. Im Kino sitzend, muß man die Frage leider mit Ja beantworten. Thomas Winkler

„John Lurie and the Lounge Lizards Live in Berlin“, Regie: Garret Linn, Konzept: Robert Burden, mit John Lurie, Michael Blake, Steven Bernstein, Jane Scarpantoni, Calvin Wester, Billy Martin, Miki Navazio, Oren Bloedow, Bryan Carrott

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