Die Lady ist ein Snob

■ Andrew Birkins Verfilmung des Bestsellers „Salz auf unserer Haut“ nach dem Roman von Benoîte Groult

Und wenn er nicht gestorben wäre, dann hätten wir uns noch zwei weitere Stunden im Kino gelangweilt. Aber daß es den freundlich-tumben Riesen am Ende dahinrafft, erfährt der Zuschauer schon in der ersten Szene: Greta Scacchi steht windumweht auf dem Friedhöfchen an der schottischen Steilküste und trauert hinter dunklen Brillengläsern dem Verlust ihres Liebhabers nach.

Er hieß Gavin und war ein einfacher schottischer Fischer. Sie heißt George und stammt aus der Pariser Großbourgeoisie. Hier die wilde Romantik der schottischen Natur, dort die kultivierte Romantik der französischen Hauptstadt. Ein Stoff, aus dem Schmonzetten, eine Kulisse, aus der Urlaubsträume sind: erfolgsträchtige Zutaten für die Verfilmung des Bestsellers „Salz auf unserer Haut“ von Benoîte Groult. Regie führte Jane Birkins Bruder Andrew, produziert wurde der Film von Bernd Eichinger.

Zu Beginn der Leidenschaft zwischen der Intellektuellen und dem Simpel tobt George als quietschender Teenager durch die Szene: Als Backfisch im Petticoat mit Pferdeschwanz ist Greta Scacchi eine glatte Fehlbesetzung. Allein Scacchi-Lebensgefährte Vincent D'Onofrio füllt seine Rolle als bullig-triebhaftes Naturkind Gavin einigermaßen glaubwürdig aus.

In der entwaffnenden Diktion seines Filmcharakters sinniert er im Presseheft zu „Salz auf unserer Haut“: „Gavin ist kein Intellektueller, so wie ich auch kein Intellektueller bin. Wenn ich überhaupt etwas bin, dann bloß menschlich. Ich schlage mich jeden Tag mit einfachen menschlichen Dingen herum, die mein Leben durcheinanderbringen. Es ist ein Desaster für mich, weil ich so menschlich bin.“

Die Jugendliebe gerinnt zum Melodram, als George den Heiratsantrag des schottischen Fischers ablehnt: Die Lady ist ein Snob; sie will lieber einen Bildungsbürger zum Mann. In einem Film, der das Schöne und Gute auf seine Fahnen geschrieben hat und zudem auf ein weibliches, vermeintlich sentimental besaitetes Publikum schielt, kann das nur ins Auge gehen. Die wahre Liebe siegt.

Georges Ehe scheitert, und wie es der Zufall so will, begegnen sich die einstigen Liebenden nach über zehn Jahren in London auf der Straße. Die Affäre wird erneut aufgenommen über Höhen und Tiefen bis zum bitteren Ende, dem Tod Gavins, der es im Laufe der Zeit zum gediegenen Graubart mit Pfeife und Anzug gebracht hat.

Dem Film hilft es nicht, daß er explizit das Phänomen verhandelt, das ihn beherrscht: Kitsch. Immer wieder erscheint Gavin vor seiner Geliebten mit Mitbringseln von zweifelhaftem ästhetischen Wert, beispielsweise einer Hinterglaslandschaft mit anknipsbarer Sonne. Seine Gefährtin ist peinlich berührt, bis er eines Tages mit einer kleinen Goldkette mit Anker vor ihr erscheint. Sie ist entzückt. Kitsch ist eben nicht gleich Kitsch, und „Salz auf unserer Haut“ nicht „Vom Winde verweht“.

Klischeesätze, von Ich-Erzählerin George aus dem Off gehaucht, sorgen für unfreiwilige Komik: „Als ich wieder in Paris war, wurde meine Leidenschaft für dich von einer neuen Leidenschaft ersetzt — dem Existentialismus.“ Oder, nachdem sie seinen Antrag abgelehnt hat: „Wurde meine Liebe zu dir durch meinen Schmerz noch tiefer?“

Der Film gibt sich unkonventionell: Eine Frau genießt ohne schlechtes Gewissen ihre Liebschaft ohne Ehering. Die Gewissensbisse hat dafür der — verheiratete — Mann. Die Rollen sind hier lediglich umgedreht. Auch die Bilder zeigen konventionell mal Zwischenmenschliches, mal lassen sie den Blick touristisch schweifen: George und Gavin aalen sich am Südseestrand, klettern auf den Eiffelturm und feiern auf einem schottischen Bauernhof. Birkin zeigt sie beim Tanzen, beim Schwimmen, beim Essen, beim Beischlaf. Standortwechsel, veränderte Lebenssituationen, das Altern der Hauptfiguren — nichts entreißt die Szenen ihrer Beliebigkeit. Einzige Extravaganz: eine Großaufnahme jagt die andere.

Als Innenraum-Kulisse dient bieder-gediegenes Ambiente: Nicht einmal in der Hinsicht wird das ermüdete Auge verwöhnt. „Salz auf unserer Haut“ ist keine Schnulze mit Pfiff, kein Ausstattungsknüller, und eine schlichte Geschichte ebenso wenig wie ein erotischer Reißer. Ebenso spannend, aber dafür preiswerter ist es, 109 Minuten vor der rotierenden Trommel der Waschmaschine zu verbringen. Marion Löhndorf

„Salz auf unserer Haut“. Regie: Andrew Birkin; Drehbuch: Andrew Birkin und Bee Gilbert; Kamera: Dietrich Lohmann. Mit: Greta Scacchi, Vincent D'Onofrio, Anais Jeanneret, Petra Berndt, Claudine Auger, Rolf Illig, Hanns Zischler u.a., 109 Minuten. Deutschland/Kanada/Frankreich 1992.