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Lauter Rätsel um radioaktives Trinkwasser

■ Wer leitet Tritium wohin? Und stammt das Cäsium im Geesthachter Wasser wirklich von Kernwaffenversuchen?

wirklich von Kernwaffenversuchen?

Wie kam Tritium (radioaktiver Wasserstoff) ins Geesthachter Trinkwasser? Die Frage, die auch für die Forschung nach den Ursachen für die Leukämie-Erkrankungen in der Umgebung des Atomkraftwerkes äußerst wichtig sein könnte, kann leider noch immer nicht beantwortet werden. Der Wert von 4000 Bequerel pro Kubikmeter, den die GKSS bei ihrer routinemäßigen Überprüfung des Trinkwassers im dritten Quartal 1984 gemessen hat, liegt laut Johannes Altmeppen, dem Sprecher der Betreiber-Gesellschaft HEW „im Bereich der Nachweisgrenze“ und sei nicht signifikant.

Daß Tritium auch zu anderen Zeitpunkten das Geesthachter Trinkwasser belastet hat, ist nicht auszuschließen, denn die GKSS untersucht in behördlichem Auftrag nur alle Vierteljahr das Wasser — es ist eher wahrscheinlich, denn ein Tritium-Molekül kommt selten ganz allein.

Tritium-Ableitungen (radioaktiver Wasserstoff) hätten bislang im Mittelpunkt der Untersuchungen sowohl der niedersächsischen als auch der schleswig-holsteinischen Fachkommissionen zur Untersuchung der Leukämie-Ursachen gestanden, so der Sprecher des Sozialministeriums Kiel, Ralf Stegner. Da sind noch Fragen offen: Wer leitet Tritium wohin? Und wohin leitet die KKW Krümmel GmbH ihr radioaktives Abwasser? Tritium werde vom AKW Krümmel über den Kamin in die Luft und mit dem Abwasser in die Elbe abgegeben, so Altmeppen.

Bei Überschwemmungen des Flusses könnten radioaktive Stoffe möglicherweise ins Erdreich und ins Grundwasser versickern. In tiefere Bodenschichten oder ins Grundwasser leitet das AKW nach Angaben des HEW-Sprechers keine Abwässer ein.

Tritium wird übrigens vom Körper eingebaut, weil die Zellen es für normalen Wasserstoff halten, dadurch können dizentrische Chromosomen entstehen, die die Bremer Physikerin Schmitz-Feuerhake bekanntlich im Blut von Bewohnern der Elbmarsch gefunden hat.

Auch das radioaktive Cäsium, das die GKSS im Geesthachter Trinkwasser festgestellt hat, gibt einige Rätsel auf. Die Cäsium-137- Funde in den Jahren 1986 und 1989 müssen aus dem Fallout der Kernwaffenversuche herrühren, teilt das Kieler Sozialministerium mit, weil nicht auch Cäsium 134 nachgewiesen wurde, wie es bei Ableitungen aus Kernkraftwerken oder dem Tschernobyl-Fallout immer vorkomme.

Nach den Ursachen, die zu den radioaktiven Meßwerten im Trinkwasser geführt haben, habe die HEW 1989 nicht detailliert gesucht, so Altmeppen. Zu weiteren Nachforschungen habe kein Anlaß bestanden, denn die Dosiswerte hätten den Grenzwert der Strahlenschutzverordnung für Trinkwasser um das 5000-fache unterschritten. Zudem habe eine gesundheitliche Gefährdung der Geesthachter nie bestanden.

All dies sei der niedersächsischen Leukämie-Expertenrunde vorgetragen worden, so Ministeriumssprecher Stegner. Sie habe es nicht für relevant erachtet und deshalb nicht weiter verfolgt.

Eine radioaktive Verseuchung des Geesthachter Trinkwassers sei nur denkbar, wenn die Quelle belastet sei, sagt der Geesthachter Bürgermeister Peter Walzter. Wohl wahr, aber keiner weiß so genau, wer den Brunnen vergiftete hat. Vera Stadie

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